22. Jänner 2024
Peer-Effekt bei Photovoltaik: Learning für Lokalpolitik

Eine in der Schweiz durchgeführte Studie hat sich dem sogenannten Peer-Effekt, also dem Einfluss von Gleichgesinnten auf eigene Entscheidungen, in Bezug auf Photovoltaik gewidmet. Die Ergebnisse zeigen, welche Maßnahmen auch die Lokalpolitik ergreifen kann, um die Energiewende voranzutreiben.

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Als Peergroup bezeichnet man eine Gruppe von Personen mit ähnlich gelagerten Interessen und mit gleichem sozialem Background, die auch durch räumliche Nähe miteinander verbunden sind. Es erscheint woh auch für Nicht-Soziologen durchaus logisch, dass diese Gruppe bei regelmäßiger Kommunikation gegenseitig diverse Entscheidungen beeinflusst. Schließlich kennt man eine derartige Beeinflussung durch sein persönliches Umfeld nur zu gut ..

Welche Rolle dieser Einfluss aber bei der Installation von Photovoltaik-Anlagen spielt, hat eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) nun untersucht.

Erkenntnisse für die Energiewende

Die Studie ergab, dass sich Menschen mit einer um 89 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für Photovoltaik entscheiden, wenn sie jemanden kennen, der dies ebenfalls bereits getan hat. Dabei kommt der Peergroup-Effekt, auch kurz Peer-Effekt genannt, deutlich zum Tragen, als eben jenes von der Peergroup beeinflusste eigene Verhalten.

Vereinfacht gesagt: Hat der Nachbar eine PV-Anlage auf dem Dach, haben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine installiert. Räumliche Nähe ist ebenfalls ein Kriterium des Peer-Effekts, wie die Autoren der Studie erklären. Sie weisen zudem explizit darauf hin, dass dies ein wichtiger Treiber der Energiewende sein kann, da sich insbesondere die Lokalpolitik die Erkenntnisse zunutze machen kann. Denn diese haben weit mehr Bedeutung als nur eine lokal begrenzte, die Dach-Solaranlagen im Fokus hat.

Die Klimaziele können schließlich nur mithilfe von großflächigen Photovoltaikanlagen erreicht werden, wie unter anderem Professor Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik, erklärt. Der Experte hält es nämlich für „sehr unrealistisch“, die für die Klimaziele notwendige Menge von einer Million(!) Gebäuden bis zum Jahr 2030 mit PV ausrüsten zu können. Fechner plädiert daher – so wie die Österreichische Energieagentur – dafür, brachliegende Freiflächen für Photovoltaik zu nutzen. „Es würde einfach Sinn machen, in der Raumordnung hier Schwerpunkte zu setzen“, so der Experte. „Denn, wie gesagt, wir brauchen sehr, sehr viele Freiflächen!“

Hürden für PV gehören abgebaut

Glòria Serra-Coch, Hauptautorin der EPFL-Studie, benennt als Maßnahmen für die Lokalpolitik beispielsweise gezielte Informationskampagnen, die mittels Peer-Effekt erfolgreich sein können. Menschen, die bereits PV-Module installiert haben, sollten als Botschafter in solchen Kampagnen fungieren, sich direkt an die Menschen in einer Gemeinde wenden und so eine Vorbildfunktion übernehmen. „Besitzer von PV-Anlagen sprechen gerne über ihre Erfahrungen – sie beschreiben, wie viel Strom ihre Anlage pro Jahr erzeugt und wie viel Geld sie sparen“. Auch Nachbarschaftsvereine oder Unternehmen, die sich aktiv für die Energiewende einsetzen, könnten in derartigen Kampagnen als Testimonials eingesetzt werden, so die Forscherin.

Peer-Effekt StduieGlòria Serra-Coch (Foto: EPFL), Hubert Fechner (Foto: energy innovation austria)

Die Studie macht vor allem eines deutlich: Hürden zur Installation von Photovoltaik gehören abgebaut, Zugänge zu Erneuerbaren Energien transparent und flexibel gestaltet. Denn insbesondere der Ausbau der Infrastruktur für Grünstrom ist ein Gebot der Stunde.

So wünscht sich auch Glòria Serra-Coch explizit flexiblere Richtlinien und einen Abbau der Bürokratie. Die Politik täte gut daran, sich den Peer-Effekt zunutze zu machen und mit eigenen Informationsplattformen – Stichwort „soziale Netzwerke“ – insbesondere der mangelnden Koordinierung bei der Verbreitung von Informationen entgegenwirken, so die Studienautoren. Zusammengefasst sollten politische Akteure, Verwaltungen und Energiesystembetreiber den nicht-professionellen Informationsaustausch in der Bevölkerung stärker berücksichtigen und dieser Informationen zur Verfügung stellen, die sie mit ihrem Netzwerk teilen können.

Klar ist: Die Erreichung der Klimaziele wird nur funktionieren, wenn alle zusammenarbeiten. Betreiber, Politik, Verwaltung und die Bevölkerung. Dann ist vieles möglich. Wenn nicht sogar alles.

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTOS: ENERY