13. Oktober 2022
Neun Fragen zur Energiewende – und die Antworten dazu

Kaum ein Thema ist aktueller – und dringlicher – als die Energiewende. Was aber steckt hinter diesem allgegenwärtigen Begriff? Und was muss passieren, um die Wende herbeizuführen – und mit ihr die Zukunft zu meistern?

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Es sind herausfordernde Zeiten, in denen wir uns befinden. Die derzeitige Energiekrise sorgt für Verunsicherung – und diese wird ob des bevorstehenden Winters nicht kleiner. Der immer lauter werdende Ruf nach einer Energiewende trägt allerdings nicht zur Beruhigung bei, denn auch hier herrscht Unsicherheit in der Bevölkerung: Welche Auswirkungen hat die Energiewende und die dadurch notwendige Infrastruktur auf Versorgung, Stromkosten und Umwelt? Hier sind die Antworten.

1. Warum braucht es die Energiewende?

Eine der wichtigsten Fragen zur Energiewende. Und hier die Antwort: Der menschengemachte Klimawandel und die dadurch verursachte Erderwärmung ist für die Wissenschaft unbestritten. Um deren Auswirkungen zu minimieren, ist es insbesondere notwendig, CO2-Emissionen sowie den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Der Umstieg von fossiler zur erneuerbaren Energie – die Energiewende eben – ist dabei ein entscheidender Faktor. Zudem macht die aktuelle Energiekrise die Bedeutung von Abhängigkeit auf dem Energiesektor deutlich wie nie zuvor; der Umstieg auf Erneuerbare ist essenziell, wenn man sich aus eben dieser Abhängigkeit befreien will.

2. Welche Ziele werden mit ihr angestrebt?

Das Klimagesetz der Europäischen Union erhöht das Emissionsreduktionsziel innerhalb der EU bis 2030 von 40 % auf mindestens 55 % (gegenüber den Werten von 1990). Vollständig klimaneutral soll die EU bis 2050 werden. Österreich wiederum ist hier ambitionierter: Man hat es sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein. Deutschland will es bis 2045 erreichen.

3. Wie können diese Ziele erreicht werden?

Für die Erreichung der Klimaziele wird ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energieträger unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien notwendig sein: 2020 beliefen sich die EU-weiten Treibhausgasemissionen auf 3,3 Milliarden Tonnen, wobei drei Viertel davon auf den Bereich Energie entfallen. Somit stellt der Umstieg auf erneuerbare Energie die tragende Säule der Energiewende und gleichzeitig der Klimaneutralität dar. Neben der Emissionsreduktion ist aufgrund der unendlichen Verfügbarkeit von Sonne, Wind, Erdwärme & Co. Ressourcenschonung ein Hauptkriterium beim Umstieg auf erneuerbare Energieträger.

Fragen Energiewende

Eines steht fest: Mit der Energiewende steigen die Anforderungen an Netze, Kraftwerke und Speicher.

4. Welche Maßnahmen müssen für den Erneuerbaren-Ausbau gesetzt werden?

Mit der Energiewende steigen die Anforderungen an Netze, Kraftwerke und Speicher. Um die Versorgungssicherheit auch mit erneuerbarer Energie zu gewährleisten, muss daher jetzt damit begonnen werden, den Anlagen- und Netzausbau sowie die notwendigen Speicherkapazitäten (siehe unten) voranzutreiben. Dafür müssen Genehmigungsverfahren und Projektabwicklungen beschleunigt und klare Rahmenbedingungen geschaffen werden, um eine wirtschaftliche Errichtung der Anlagen zu ermöglichen. Klar ist nämlich: Die Energiewende braucht die dafür notwendige Infrastruktur.

5. Welche Infrastruktur muss für die Energiewende geschaffen werden?

Die Energieziele können nur mithilfe von großflächigen Photovoltaikanlagen, mit sogenannten Photovoltaikfreiflächenanlagen, erreicht werden. Das erklärt einer, der es wissen muss: Professor Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik. Für den Experten ist es „schlichtweg sehr unrealistisch“, bis 2030 eine Million Gebäude mit PV belegen zu können, um die Energiewende zu schaffen. Daher, so Professor Fechner, solle man beispielsweise landwirtschaftliche Flächen, auf denen man kaum noch Erträge erwirtschaften kann, für Photovoltaik nutzen. Man müsste demnach lediglich „0,2 % der landwirtschaftlichen Flächen mit Photovoltaikanlagen bebauen, um die Klimaziele zu erreichen“. Auch Flächen entlang von Schnellstraßen, Autobahnen, Eisenbahntrassen und dergleichen seien „ein guter Ansatz“, so der PV-Experte. „Es würde einfach Sinn machen, in der Raumordnung hier Schwerpunkte zu setzen. Denn, wie gesagt, wir brauchen sehr, sehr viele Freiflächen! Deswegen wird man sich überlegen müssen, welche Areale man anpeilt.“

Durch die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen werden keine Böden versiegelt. Viel besser: Die Biodiversität unter den Sonnensegeln ist mehr als nur überraschend. Das belegen große Studien.

6. Welche Auswirkungen haben PV-Freiflächenanlagen auf die Umwelt?

Bei der Errichtung von großflächigen Photovoltaikanlagen gibt es kaum topografische Einschränkungen; die Ausrichtung der PV-Module kann frei festgelegt werden. Dadurch können die Anlagen auch auf (beispielsweise aufgrund von Schadstoffbelastung) nicht nutzbaren Flächen errichtet werden. Zudem werden durch die Errichtung keine Böden versiegelt, es entstehen keinerlei schädliche Emissionen, Fauna und Flora werden nicht beeinträchtigt. Aufgrund der geringen Höhe wird, im Gegensatz zu Windparks, auch das Landschaftsbild kaum beeinträchtigt.

7. Welche Speichermöglichkeiten gibt es für erneuerbare Energie?

Um die Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren sicherzustellen, ist ein Ausbau der Energiespeicheroptionen unumgänglich. Nur so kann künftig zu viel produzierter Strom zielgerichtet genutzt werden, wenn die Produktion den aktuellen Verbrauch nicht decken kann. Derzeit stehen für Langzeitspeicherung hierzulande vor allem Pumpspeicherkraftwerke zur Verfügung. Druckluftspeicher wiederum nutzen überschüssigen Strom, um Druckluft zu erzeugen, die bei Bedarf über eine Turbine wiederum Strom produzieren. Zudem kommen für kurzfristige Speicherung Batteriespeichersysteme zum Einsatz, unter anderem – insbesondere in privaten Haushalten – vermehrt Solarstromspeicher. Mit ihnen kann untertags gewonnene Sonnenenergie nachts verbraucht werden. Zukünftig sollen aber auch innovative Speichersysteme ausgebaut werden. Stromüberschüsse können beispielsweise zur Wärmegewinnung (Power-to-Heat) oder zur Herstellung von synthetischem Flüssigkraftstoff (Power-to-Liquid) genutzt werden.

8. Wie wirkt sich die Energiewende auf die Energiekosten aus?

Abhängigkeit von fossiler Energie bedeutet Abhängigkeit von Weltpolitik, von internationaler Preistreiberei, vom Willen anderer. Erneuerbare Energie hingegen bedeutet Unabhängigkeit und damit kalkulierbare und günstigere Stromkosten für Industrie und Private. Je früher also die erwähnten Investitionen in den weiteren Ausbau der Erneuerbaren fließen, desto schneller werden sich diese rechnen, desto schneller wird sich die Energiewende auf den Stromrechnungen der Verbraucherinnen und Verbrauchern niederschlagen.

9. Ist die Versorgungssicherheit mit erneuerbarer Energie gegeben?

Die aktuelle Krise zeigt die Gefahren der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und damit von deren Importen. So haben sich die Mitgliedstaaten der EU zu einer 15-prozentigen Senkung des Erdgasverbrauchs im kommenden Winter bereit erklären müssen, um die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. Das Ziel, vollständig klimaneutral zu werden, bringt allerdings große Herausforderungen mit sich. Derzeit liegt beispielsweise Österreich mit einem Versorgungssicherheitsgrad von 99,99 % im internationalen Spitzenfeld. Um diese Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten, sind Investitionen in neue Anlagen wie Photovoltaik- und Windparks ebenso notwendig wie die gesetzlichen Grundlagen zum Erneuerbaren-Ausbau.

✅ TEXT: Sandra Rainer
✅ FOTOS: UNSPLASH/Ameen Fahmy; UNSPLASH/Evgeniy Alyoshin; Enery