29. August 2023
Photovoltaik-Luftschiffe: Nachhaltiger, kostengünstiger Transport

Um die Klimaziele und die Energiewende zu schaffen, führt kein Weg an großflächigem Ausbau von Photovoltaik vorbei. Doch auch diverse Transportwege könnten künftig mittels PV-Energie bewältigt werden: Solarbetriebene Luftschiffe sind keine Utopie mehr.

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Es sind an die 200 Schiffe, die sich seit Mitte August täglich vor dem Panamakanal versammeln. Unfreiwillig versammeln, versteht sich. Denn der Weg durch eine der weltweit bedeutendsten Schiffspassagen musste aufgrund extremer Trockenheit in Panama strikt limitiert werden; das für den Schleusenbetrieb benötigte Fluss- und Seewasser wurde aufgrund des Klimawandels zu einem raren Gut. So warten nun zahlreiche Container- und Tankschiffe auf die Weiterfahrt. Und mit ihnen überall auf der Welt dringend benötigte Waren. Die Klimakrise wird immer mehr zur Wirtschaftskrise.

Bereits 2021 hatte der im Suez-Kanal gestrandete Frachter „Ever Given“ deutlich gemacht, welche Auswirkungen für die Weltwirtschaft eine blockierte Seestraße nach sich ziehen kann. Die Klimakrise sorgt hier zudem für einen wahren Teufelskreis. Schiffs- und Flugverkehr sind für einen weiteren Anstieg von Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, die wiederum die Erderwärmung vorantreiben. Diese sorgt für immer extremere Wettersituationen, aufgrund derer die üblichen Transportwege nicht mehr wie gewohnt genutzt werden können.

Hocheffiziente Dünnschichtsolarzellen

Während für Expert:innen außer Frage steht, dass der Ausbau flächendeckender Photovoltaik zur Erreichung der Energiewende und der Klimaziele forciert werden muss, nimmt sich die Wissenschaft auch des Problems des nachhaltigen Gütertransports an. Angesetzt wird hier bei der klimaschädlichsten Form der globalen Fortbewegung, dem Fliegen. Prof. Dr. Christoph Pflaum von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München (TUM) eine Alternative zu Flugzeugen in den Fokus genommen: Photovoltaik-Luftschiffe.

Photovoltaik-ZeppelinModerne Zeppeline nutzen Helium statt Brennstoffen

„Wenn wir auf solarbetriebene Luftschiffe setzen, können wir die Luftfahrt ziemlich schnell und ökonomisch sinnvoll klimafreundlicher machen“, so Pflaum. Der Professor hat seine Forschungsergebnisse im März 2023 im „International Journal of Sustainable Energy“ publiziert. „Unsere Berechnungen zeigen, dass durch den Einsatz eines Solarzeppelins sowohl die Transportkosten als auch die CO₂-Emissionen der Luftfahrt deutlich gesenkt werden können. Solarzeppeline sind absolut klimafreundlich, weil sie mit extrem leichten und hocheffizienten Dünnschichtsolarzellen bestückt sind, die sich während des Flugs immer wieder neu aufladen. Dadurch entstehen beim Fliegen keinerlei verbrennungsbedingte Emissionen.“

Klimafreundlich & sicher

Photovoltaik-Luftschiffe sind jedoch nicht nur klimafreundlich. Mit ihnen zu fahren (laut physikalischer Definition fährt alles, das leichter als Luft ist, und fliegt nicht) ist vor allem sicher. Im Gegensatz zu früheren Zeppelinen wie der berühmt-berüchtigten „Hindenburg“, werden moderne Luftschiffe weder mit Wasserstoff noch mit einem anderen Brennstoff gefüllt. Als Traggas wird heute Helium benutzt. Zudem werden mehrere Auftriebskörper genutzt, sodass das Schiff auch bei einem Ausfall jederzeit zumindest auf niedriger Höhe weiterfahren kann.

Photovoltaik-Luftschiffe FAUMehrere Auftriebskörper sorgen für Sicherheit

In ihrer Simulation haben Professor Pflaum und sein Team die 13.000 Quadratmeter große Außenhülle eines Luftschiffs mit Dünnschichtsolarzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Selenid (CIGS) von rund 7 Tonnen Gesamtgewicht versehen. Als zusätzlicher Antrieb mit an Bord: Eine Lithium-Ionen-Batterie. Deren Ladevorgang würde jedoch gerade einmal eineinhalb bis maximal fünf Prozent jener CO₂-Menge verursachen, die Flugzeuge aktuell ausstoßen, sagt Christoph Pflaum.

Photovoltaik-LuftschiffeDünnschichtsolarzellen auf 13.000 Quadratmetern

Kostengünstiger Luxus

Bei der Größe der Photovoltaik-Luftschiffe orientierte man sich ebenfalls am legendären historischen Vorbild, der „Hindenburg“. Eine Reise von New York nach London würde mit einem derartigen Schiff zwei Tage dauern. Und wäre somit vor allem für den Gütertransport interessant. Und das nicht nur im Vergleich zur Schifffahrt. Die Energiekosten beim Transport von 60 Tonnen Nutzlast lägen laut den Forschern gegenüber dem Flugverkehr bei nicht einmal einem Prozent. Luftschiffe punkten zudem mit der höheren Reichweite.

Aber auch Passagierreisen könnten attraktiv gestaltet werden. Immerhin kann man an Bord eines Zeppelins aufgrund des im Vergleich zu Flugzeugen großzügigen Platzangebots über ausreichend Komfort verfügen. Bis hin zum Luxus wie Dining-Room oder Doppelbett-Kabine. Noch dazu mittel- bis langfristig zu erschwinglichen Preisen. Denn ein Luftschiff verursache kaum Wartungskosten und müsse auch nur einmal mit Helium befüllt werden, da der Verlust beim Betrieb minimal sei. Bei einer Reisehöhe von 2.000 Metern könnten bis zu 200 Passagiere befördert werden, so die Studie.

Pathfinder Photovoltaik-LuftschiffePathfinder 1 von LTA

Derzeit sind Photovoltaik-Luftschiffe zwar noch Theorie. Dass sich die FAU aber nicht mit einem hypothetischen Prozedere befasst, beweist unter anderem LTA (Lighter Than Air) Research mit Sitz in Kalifornien. Das Unternehmen, finanziell unterstützt von Google-Gründer Sergey Brin, hat mit seinem Prototyp „Pathfinder 1“ bereits das erste Luftschiff gebaut. Allerdings wird dieses nicht mittels Photovoltaik, sondern mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben.

Ende September 2023 lädt Christoph Pflaum jedenfalls zu einer Konferenz nach Nürnberg, in der über die weitere Zukunft der Luftschifffahrt berichtet und diskutiert werden wird.

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTOS: UNSPLASH, LTA, Christoph Pflaum,Tim Riffelmacher & Agnes Jocher