18. Juli 2023
Eine Gemeinde macht sich unabhängig

Das niederösterreichische Lichtenwörth versorgt sich als Energiegemeinschaft selbst mit Grünstrom, den die Menschen zu deutlich günstigeren Preisen als vom lokalen Anbieter beziehen. Dafür sorgt unter anderem eine große Photovoltaik-Freiflächenanlage im Ort.

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Lichtenwörth im niederösterreichischen Industrieviertel. Genauer: im Bezirk Wiener Neustadt, direkt an der Grenze zum Burgenland. Knapp 3.000 Menschen leben hier. Und das tun sie, zumindest was die Stromversorgung betrifft, völlig autark. Denn das kleine Lichtenwörth produziert große Mengen an Strom. Strom, den man selbst nutzen kann. Die Gemeinde hat nämlich die größte Erneuerbare Energiegemeinschaft (EEG) Österreichs gegründet und kann als solche den erzeugten Strom günstig an seine Bewohnerinnen und Bewohner abgeben.

Ersparnis von über einem Drittel

„Alle können mitmachen!“, betonen dabei die Verantwortlichen. „Egal, ob Haushalt oder Gewerbe, mit oder ohne eigene Stromerzeugung, wie zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage“. Wird nämlich mehr Strom produziert, als man für den Eigengebrauch benötigt, wird der Überschuss automatisch auf die anderen Teilnehmenden der EEG aufgeteilt. Der Strom bleibe so nicht nur „im Ort“, wie es heißt: Er ist auch deutlich günstiger als vom herkömmlichen Stromanbieter. Die Ersparnis pro Kilowattstunde (kWh) liege demnach bei einem Preis von 26,4 Cent/kWh bei rund 30 Prozent. Mit der quasi aus der Nachbarschaft bezogenen Energie werden darüber hinaus nicht nur die überregionalen Stromnetze entlastet, es entfallen so auch bis zu 60 Prozent der Netzgebühren. Die Gesamtersparnis betrage daher mehr als 35 Prozent gegenüber dem lokalen Versorger, so die Gemeinde.

Gemeinde LichtenwörthGemeinde Lichtenwörth (Foto: lichtenwoerth.at)

„Die globalen Herausforderungen des Klimawandels und der Energieversorgung werden uns alle noch sehr lange beschäftigen“, erklärt dazu der Lichtenwörther Bürgermeister Manuel Zusag. „Wir in Lichtenwörth wollen nicht einfach nur zusehen und auf andere warten, sondern dort, wo wir Möglichkeiten haben, zeitgerecht handeln.“

Freiflächenanlage auf brachliegendem Grund

Beim Lichtenwörther Strom handelt es sich um hundertprozentigen Grünstrom. Neben privaten Photovoltaik-Anlagen wurde auf einem ehemaligen Acker des Landwirten Friedl Pauer-Rüel ein Solarpark errichtet. Die Freifläche war für landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet, darum entschied sich ihr Besitzer für die PV-Anlage. Mittlerweile hat Pauer-Rüel mit der Energiegemeinschaft Lichtenwörth einen Zehnjahresvertrag abgeschlossen, was für Sicherheit auf Abnehmer- und Anbieterseite sorgt. Drei PV-Anlagen produzieren nun auf dem einst brachliegendem Land insgesamt 3,6 Megawatt Strom. Zusammen mit einer Biogasanlage erzeugt Lichtenwörth damit insgesamt Strom für 2.900 Haushalte – wobei es im Ort lediglich 1.300 Haushalte gibt.

EEG Lichtenwoerth Wr. Neustadtv.l.: wnsks-Geschäftsführer Peter Eckhart, Stadtrat Franz Dinhobl, die Bürgermeister Klaus Schneeberger &
Manuel Zusag, EEG-Geschäftsführer Andreas Stingl (Foto: Stadt Wiener Neustadt/Michael Weller)

Der produzierte Energie-Überschuss hat allerdings schon einen Abnehmer außerhalb der Gemeinde: Er geht an ein weiteres Mitglied der EEG, die wnsks (Wiener Neustädter Stadtwerke und Kommunal Service) GmbH, Tochtergesellschaft der Stadt Wiener Neustadt. Diese kann jährlich bis zu 1,3 Gigawattstunden Strom aus Lichtenwörths erneuerbarer Energie zu günstigen Konditionen beziehen. Manuel Zusag: „Unsere Energiegemeinschaft ist ein funktionierendes Anti-Teuerungsmodell und ein wesentlicher Beitrag zur CO₂ -Einsparung. Lokalerzeugter, grüner Strom wird auch lokal verbraucht, das bringt mehr Unabhängigkeit vom Energiemarkt. So wird effizienter Klimaschutz von Bürgern mitgetragen und gelebt“.

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTO: SHUTTERSTOCK