27. Feber 2024
"Österreich bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück"

Um bis 2040 klimaneutral zu werden, sind in Österreich rasche Veränderungen im Energiesystem sowie eine breite Unterstützung in Politik, Bevölkerung und Industrie notwendig, wie die aktuelle Studie des Projekts NetZero2040 zur Erreichung der heimischen Klimaziele zeigt.

Österreichs Klimaziele sind durchaus ambitioniert. Die Bundesregierung hat sich mit der Erreichung der Klimaneutralität auf das Jahr 2040 festgelegt, bereits zehn Jahre vorher muss man das erste Zwischenziel schaffen: eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent – im Vergleich zum Jahr 1990. Klingt schwierig und ist es auch. Allerdings ist das Ziel erreichbar, wie eine Forschungsgruppe der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), der Österreichischen Energieagentur (AEA) und des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in einer Studie nun gezeigt hat.

„Rasche, tiefgreifende Veränderungen“

Im Rahmen des Projekts NetZero2040 haben die Expert:innen insbesondere untersucht, wie das heimische Energiesystem, das hauptverantwortlich für die Emissionen ist, klimaneutral gemacht werden kann. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. „Es sind sehr rasche und tiefgreifende Veränderungen auf struktureller, technologischer, institutioneller, gesellschaftlicher und individueller Ebene notwendig, um den Plan innerhalb der nächsten 17 Jahre umzusetzen“, so das Fazit der Forschenden.

Für die Studie entwickelte man gemeinsam mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft vier kosteneffiziente Szenarien, mit denen die Erreichung der nationalen Klimaziele möglich ist. Sie unterscheiden sich anhand der Parameter Energienachfrage und Importe von Energieträgern. Alle untersuchten Szenarien zeigten neben der Notwendigkeit der Elektrifizierung von Mobilität und Wärmeversorgung sowie umfangreicher Effizienzmaßnahmen, dass der Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien sehr schnell erfolgen muss; schneller als im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vorgesehen. „Auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai hat sich die internationale Staatengemeinschaft unter anderem das Ziel gesetzt, die Kapazität an erneuerbarer Energie bis 2030 zu verdreifachen. Österreich bleibt derzeit hinter seinen Möglichkeiten zurück, zum globalen Klimaschutz beizutragen“, erklären die Expert:innen von NetZero2040 dazu.NetZero2040

Fossile Infrastruktur verhindern

„Neben dem zügigen Ausbau Erneuerbarer Energien als zentralem Erfolgsfaktor zur Erreichung der Klimaneutralität ist es auch von großer Bedeutung, die Errichtung neuer fossiler Infrastruktur zu verhindern“, heißt es weiter im NetZero2040-Bericht. Vielmehr liege es in der Verantwortung der Politik, zeitnah zu handeln, um Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energieinfrastruktur zu ermöglichen. Politische Entscheidungen, die heute getroffen werden, würden noch lange nachhallen.

„Unsere Szenarien verdeutlichen, dass es einer breiten Unterstützung seitens der Politik und der Bevölkerung bedarf, um Klimaneutralität generell und insbesondere bis 2040 zu erreichen. Für diese enorme Transformationsaufgabe sind drei Aspekte zentral: die gesellschaftliche Akzeptanz für den Ausbau von Energieinfrastruktur, die ‚klimafreundliche‘ Ausrichtung von Lebensstilen und die sofortige Umsetzung ambitionierter politischer Klimaschutzmaßnahmen“, erläutert Hermine Mitter vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der BOKU.

Klimaziel-Erreichung ist realistisch

Zusätzlich zum Ausbau der Erneuerbaren Energien ist es laut Martin Baumann von der Österreichischen Energieagentur auch erforderlich, Mobilität und Wärmeversorgung mit Grünstrom zu betreiben. Den Austausch fossil betriebener Fahrzeuge und Heizungen müsse man, ebenso wie Gebäudesanierungen, so zügig wie möglich durchführen, um den Energieverbrauch drastisch zu senken. Damit verbunden könnte auch „ein Rückgang der industriellen Produktion in dem Ausmaß, wie es unsere Stakeholder als machbar eingeschätzt haben, den Energieverbrauch um bis zu 20 Prozent senken,“ so der Energiesystemanalyst. Die Szenarien, in denen solche Maßnahmen umgesetzt werden, zeigen, dass in der Folge weniger Energie aus dem Ausland importiert werden müsste.

Ab sofort ist es jedenfalls notwendig, bis 2040 jedes Jahr eine Emissionsrückgang in der Größenordnung des Jahres 2023 geben, in dem es eine nennenswerte Reduktion gegeben hatte, so die Forschenden. „In Summe zeigt unsere Studie ermutigende Ergebnisse“, so Hermine Mitter. „Die Erreichung des Klimaneutralitätsziels ist durchaus realistisch.“

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTO: ENERY, LOGO: NETZERO2040