20. Feber 2024
Neues ElWG: Großer Wurf oder vertane Chance?

Darüber, dass das Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) dringend modernisiert gehört, herrscht schon lange Einigkeit – nach der Begutachtungsfrist soll das reformierte Gesetz heuer beschlossen werden. Doch Expert:innen zeigen sich nach ersten Einblicken skeptisch …

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Seit Jahren wird eine Reform des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) gefordert, nun ist es endlich soweit. Mitte Jänner ging der Entwurf des neuen Gesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) aus dem Jahr 2010 abgelöst wird, in Begutachtung. Sechs Wochen lang konnten Stellungnahmen zu der Vorlage des ElWG abgegeben werden, das neben einem Energiearmuts-Definitions-Gesetz (EnDG) sowie einer Novelle des Energie-Control-Gesetzes (E-ControlG) Teil eines Gesetzespakets sein wird.

Die Reform des nicht mehr zeitgemäßen ElWOG wird innerhalb der Branche regelrecht herbeigesehnt. Sie soll die Grundlagen für ein Stromsystem schaffen, das zu 100 Prozent aus Erneuerbarer Energie gespeist wird, und sei „entscheidend für mehr Transparenz bei den Netzkapazitäten, für den bedarfsgerechten Netzausbau und die Sicherstellung flexibler Anschlussmöglichkeiten“, wie Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) in einer Aussendung zu Jahresbeginn erklärt hatte. „Mit einem neuen energiewendetauglichen Elektrizitätswirtschaftsgesetz kann Österreichs Strommarkt den modernen Anforderungen gerecht werden. Damit soll endlich die Grundlage für einen bedarfsgerechten Ausbau der Netze und für transparente Nutzungsbedingungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure im modernen Strommarkt geschaffen werden“.

„Luft nach oben“

Auch heimische Grünstromerzeuger mussten bereits lange auf ein zeitgemäßes Gesetz warten, das die Transformation in Richtung Erneuerbare Energien zumindest unterstützt – wenn nicht entscheidend trägt. So wurden in den vergangenen Jahren insbesondere Photovoltaik und Windkraft nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch zu DEM entscheidenden Faktor am Energiesektor. Steckt im neuen ElWG also tatsächlich jene geforderte, zukunftsweisende Reform, die Österreichs Strommarkt so dringend braucht?

Raphaela Hein Enery ElWGRaphaela Hein, Enery Power Market Expert

„Es geht in die richtige Richtung, aber leider nicht weit genug“, meint dazu Raphaela Hein, Enerys Power Market Expert. „Beispielsweise ist die Stärkung der Energiegemeinschaften ein wichtiger Schritt. Auch, dass die Bedeutung von Power Purchase Agreements (PPAs) zunimmt, ist positiv zu bewerten. Aber es gibt hier noch viel Luft nach oben“, sagt die Strommarkt-Expertin. So gab Enery eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf ab, wonach die Herkunftsnachweise bei PPAs im ElWG klarer geregelt werden sollen.

Speicher-Entgelte müssen fallen

Enttäuschend sei zudem, dass Netzgebühren für Speicheranlagen auch im neuen ElWG bestehen bleiben – und nun sogar noch auf Pumpspeicher ausgedehnt werden. „Gleichbehandlung ist ja prinzipiell gut, aber nicht, wenn alle gleich schlecht behandelt werden“, so Raphaela Hein. „Die Gebühren stellen in Österreich ein ziemliches Hindernis dar. Wir hätten uns gewünscht, dass die Netznutzungsentgelte für Speicher generell reduziert werden,. Jetzt bleibt es unklar, wann ein Speicher ’systemdienlich‘ ist. Das ist eine verpasste Chance, die Energiewende zu beschleunigen, was ich sehr schade finde.“ Eine großflächige Befreiung, wie sie bisher für Pumpspeicher galt, sei das Gebot der Stunde.

Auch, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur nicht intensiver vorangetrieben werde, hält Raphaela Hein für ein Versäumnis. „Es wird künftig leider nicht wirklich etwas geändert. An den Planungsverfahren und Bürgerbefragungen bleibt alles gleich, eine Beschleunigung ist damit praktisch nicht umsetzbar.“ Ein weiterer Wunsch: Die staatliche Absicherung des Profilrisikos – sowohl für den Stromproduzenten als auch den Abnehmer. „Damit würde man Photovoltaik auf dasselbe Niveau wie den generellen Durchschnittspreis katapultieren. Man bleibt zwar natürlich weiter dem Strommarkt ausgesetzt, aber die Benachteiligung durch den Kannibalisierungseffekt fällt weg“, so Hein.

Ihr Fazit zur Modernisierung des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes fällt dementsprechend aus: „Im Entwurf ist nicht sehr viel Richtungsweisendes drin, man hat nicht das Gefühl, dass das Gesetz ausgereift ist. Um die Energiewende zu schaffen und die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir mehr.“

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTOS: ENERY