1. August 2023
Netzausbau: Das Gebot der Stunde

Mit dem erstmals erstellten Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) wird in Österreich der Ausbaubedarf des Stromnetzes erhoben. Für die Verantwortlichen steht fest: Ein umfassender Netzausbau muss jetzt folgen.

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Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Energiewende. Anfang Juli wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan (ÖNIP), erstellt vom Umweltbundesamt, präsentiert. Dieser ermöglicht als übergeordnetes strategisches Planungsinstrument eine umfassende Gesamtbetrachtung der Infrastrukturnotwendigkeiten des zukünftigen Energiesystems.

Aus dem Plan kann abgeleitet werden, welche Energieinfrastruktur für die Transformation des Energiesektors notwendig ist. Er dient somit als Planungsgrundlage für den Aus- und Umbau der Energieübertragungsinfrastruktur für 2030 und zur Erreichung der Klimaneutralität 2040. Die integrierte Betrachtung der höherrangigen Energieübertragung soll ermöglichen, den notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung bestmöglich mit der Netzentwicklung, Speichern und Flexibilitätsoptionen zu koordinieren.

Den Anforderungen nicht gewachsen

Die erstmalige Erstellung eines Netzinfrastrukturplans wird von den Verantwortlichen der österreichischen Energiewirtschaft durchwegs begrüßt.  So sieht auch der Übertragungsnetzbetreiber APG (Austrian Power Grid AG) den ÖNIP als „wichtigen Puzzlestein für ein nachhaltiges und versorgungssicheres Energiesystem der Zukunft“. Man betonte allerdings, dass durch den ÖNIP auch weitere Beschleunigungen bei der Projektumsetzung einher gehen muss.

Ausbau Stromnetz Österreich

„Die Energiewende ist eine Mammutaufgabe, die nur mit einer Gesamtsystemplanung österreichweit gelingen kann“, konkretisierte Gerhard Christiner, technischer Vorstand der APG. Das heimische Stromnetz müsse auf die energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten eines nachhaltigen Energiesystems ausgerichtet, geplant und gebaut werden. „Das aktuelle Stromnetz ist den Kapazitätserfordernissen der Zukunft nicht gewachsen“, so Christiner. „Schon jetzt erleben wir jeden Tag, dass die bislang fehlende Koordinierung zur Umsetzung der Energiewende zu unerwünschten und kostenintensiven Fehlentwicklungen führt.“

Mit dem ÖNIP als Planungsgrundlage sei daher der nächste erforderliche Schritt einer systemisch abgestimmten und mit dem Netzausbau koordinierten Detailplanung auf allen Ebenen des Energiesystems erforderlich. „Denn nur mit einer kapazitätsstarken Netzinfrastruktur schaffen wir eine versorgungssichere Energiewende, verhindern kostspielige Strafzahlungen und ermöglichen dem Wirtschaftsstandort Österreich Zugang zu günstigem Strom“.

Handlungsauftrag für Bundesländer

Auch der Bundesverband Photovoltaic Austria (PV Austria), die überbetriebliche und überparteiliche Interessensvertretung für Photovoltaik und Stromspeicherung in Österreich, verweist auf den Ausbaubedarf für Erneuerbare Energieträger und damit einhergehend jenen des Stromnetzes: „Um den steigenden Strombedarf in Zukunft tatsächlich erneuerbar decken zu können, muss die PV-Leistung bis 2030 auf 21.000 MWp ausgebaut werden. Gerade einmal 18 Prozent der notwendigen PV-Leistung sind davon bereits in Österreich installiert“, so die PV Austria.

Österreich Netzausbau

Der ÖNIP zeige erstmals unmissverständlich den Handlungsauftrag der Bundesländer. Vor allem für die großen Länder wie Niederösterreich, Oberösterreich oder die Steiermark ergebe sich ein deutlich höherer PV-Ausbaubedarf als bisher im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) angenommen. Rund 60 Prozent der für die Erreichung der Klimaziele notwendigen PV-Leistung müsse auf Freiflächen stattfinden. „Mit dem vorliegenden Entwurf des ÖNIPs muss mit dem Klein-Klein der Bundesländer ein für alle Mal Schluss sein“, fordert Herbert Paierl, Vorstandsitzender der PV Austria. „Spätestens jetzt muss bei den Landesregierungen klar angekommen sein, dass alles unternommen werden muss, um in die Gänge zu kommen. Neben einer Forcierung des Dachausbaus müssen auch Flächen für den Ausbau der PV vorausschauend ausgewiesen werden“.

Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria, zeigt zudem die Dringlichkeit eines umfassenden Netzausbaus auf. Wieder einmal werde deutlich, „dass wir neben der geforderten Anlagenleistung die Stromnetze dort brauchen, wo Potentiale für erneuerbare Erzeugung existieren. Dafür ist ein umfassender Netzausbauplan notwendig, der die Bereiche mit Potential für Erneuerbare mit einbezieht. Die Netzbetreiber stehen ebenso wie die Bundesländer in Handlungspflicht“.

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTOs: UNSPLASH, SHUTTERSTOCK