12. Mai 2021
Wenn der Strom auf der Solarstraße liegt

Sind Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern schon bald passé? Hochmoderne horizontale Solarmodule sollen bald Gehwege und Co. ins moderne Solarzeitalter befördern. Wir nehmen diese Solarstraße der Zukunft etwas genauer unter die Lupe.

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Es ist nicht mehr zu leugnen: Die Klimakrise ist auch in Österreich angekommen. Um unser Klima aktiv zu schützen und für die Energiewende zu kämpfen, setzen immer mehr Menschen auf die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf ihren Hausdächern. Die funkelnden Dachanlagen sind absolut keine Seltenheit mehr und für die meisten schon zu einem gewohnten Bild geworden. Doch das, was sich in den letzten Jahren angebahnt hat, könnte die gesamte Solarbranche revolutionieren.

Straßen sollen demnach in Zukunft nicht mehr ausschließlich mit Beton, sondern auch mit Solarzellen gepflastert werden. So soll der graue Asphalt nicht nur Geld und Land verschlingen, sondern als smarte Solarstraße kräftig Energie erzeugen. Die eintönigen Straßen und Wege werden dazu mit neuartigen PV-Modulen in Form von Bodensteinen so richtig aufgepeppt.

Unternehmen weltweit arbeiten bereits tatkräftig an der Weiterentwicklung dieser sonnigen Straßenflächen – einige schon mit beeindruckenden Erfolgen. Und auch Österreich könnte sich als perfekter Standort für die moderne Solartechnologie entpuppen. Schließlich gibt es hierzulande genug satt in der Sonne stehende Straßen, Geh- und Radwege. Also viel Potenzial für Solarstraßen im ganzen Land.

Wie weit ist die Solarstraße schon?

Das Ganze hört sich ja erstmals eher nach Science-Fiction als nach Stromerzeugung an. Doch diverse Unternehmen, wie etwa das ungarische Start-up Platio Solar, bestätigen mit einer sehr erfolgreichen Weiterentwicklung ihrer Photovoltaik-Pflaster deren unglaubliches Potenzial. Die Bodensteine können ziemlich leicht verlegt werden und bringen, je nach Lust und Laune, in blauer oder schwarzer Farbe auch noch den gewissen Hauch an Ästhetik mit ins Spiel.

Aber was gut aussieht, könnte unter der tonnenschweren Last von LKW und Co. einbrechen. Meint man zumindest auf den ersten Blick. Stimmt nicht, sagen die Hersteller. So sind die Solarzellen durch gehärtete und rutschfeste Glasfliesen geschützt und können ganze zehn Tonnen pro Quadratmeter tragen. Ganz schön robust also, solch ein „Steinchen“.

Einen Schritt – oder besser gesagt eine Fahrt – weiter geht das Berliner Start-up Solmove. Dieses sieht die gute alte Asphaltstraße nämlich nicht nur als Stromerzeuger, sondern auch als dynamische Ladestation für darauf fahrende E-Autos. Damit könnte das Reichweitenproblem der E-Fahrzeuge endlich gelöst und die Batterien in den fahrenden Klimaschützern deutlich kleiner gestaltet werden. Alles inklusive Kosten- und Gewichtsersparnis, eine klassische Win-win-Situation.

Ein Sonnenteppich der zur Solarstraße wird

Im Gegensatz zur Konkurrenz – die bereits erwähnte Platio Solar – möchte Solmove die Module nicht wie Betonpflaster verlegen, sondern den miteinander vernetzten „Sonnenteppich“ auf die gewünschte Fläche kleben, was natürlich eine schnellere Anbindung bedeutet. Hübscher Nebeneffekt: Die Solarstraße sollen dank solargespeister Heizung niemals glatt sein und somit ein sicheres Fahren oder auch Gehen ermöglichen. Kleines Manko an dieser Art der sonnigen Fahrbahn: Straßen inmitten größerer Städte sind für die Boden-Photovoltaik nicht brauchbar. Dort verweigert nämlich der Wechsel zwischen Licht und Schatten die notwendige ideale Sonneneinstrahlung.

Doch die beiden genannten Solar-Pioniere sind längst nicht mehr die einzigen, die den Straßen zusätzlichen Sinn verleihen wollen. In China, Amerika und den Niederlanden laufen ebenfalls Projekte mit vielversprechenden Erfolgen. Und auch die französische Konkurrenz hat ihre außergewöhnliche Idee bereits in die Tat umgesetzt und ein ganzes Stück Autobahn in einen horizontalen Stromerzeuger umgewandelt. Bravouröse Leistung!

Wo Solarstraßen zur Energie-Ernte taugen

Doch nicht nur Straßen entwickeln sich derzeit zu wahren Energie-Hotspots, auch Geh- und Radwege können durch eingebaute Solarmodule Strom erzeugen. Bestes Beispiel: Der weltweit erste Solarradweg „SolaRoad“ in den Niederlanden. Bereits 2014 wurde das Pilotprojekt in Angriff genommen – mit überraschend positiven Ergebnissen. Denn es wurde tatsächlich mehr Energie erzeugt als erwartet. Es geht also darum, die bei alltäglichen Vorgängen ungenutzt bleibende Energie in Strom umzuwandeln und zu „ernten“. Als ersten Schritt des Energy Harvestings könnte man im gewissen Sinne die gebäudeintegrierte Photovoltaik nennen. Denn auch hier wird Strom quasi als Nebenprodukt von Gebäudeteilen produziert – welche für den Bau ja ohnehin benötigt werden. Ähnliches gilt dabei auch für Straßen und Wege. Österreichs bestehendes Straßennetz ist optimal miteinander verbunden – warum also die bereits vorhandenen Möglichkeiten nicht auch für Energieerzeugung nutzen?

Auf dem Boden der Tatsachen bleiben

Natürlich klingen diese neuen Entwicklungen wie Musik in den Ohren aller Energiefreund*innen Doch man darf nicht außer Acht lassen, dass es sich dabei meistens um Pilotprojekte handelt, die sich ständig weiterentwickeln und erst in Zukunft den gewünschten Erfolg bringen werden. Denn allein mit Solarstraßen kann man den „Klimakrieg“ ganz sicherlich nicht gewinnen. Sie allein liefern zu wenig Strom – als solare Zusatzleistung könnten sie sich jedoch ganz gut etablieren.

Aber wie bereits bekannt, ist für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 eine massivere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien notwendig. Größter Sonnenenergielieferant ist und bleibt daher die besonders effiziente Photovoltaik-Freiflächenanlage. Nur mit einem aktiven Ausbau dieser großen Anlagen kann die (Solar-)Straße für ein energiebewusstes Österreich geebnet werden.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: WATTWAY