13. Mai 2021
Sonnenstrom, der aus dem Fenster fließt

US-Forscher*innen arbeiten derzeit an der Entwicklung von speziellen Solar-Fensterscheiben. Diese sollen in bunten Farben strahlen und gleichzeitig sauberen Strom produzieren – sogar dann, wenn die Sonne längst untergegangen ist.

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US-Forscher*innen arbeiten derzeit an der Entwicklung von speziellen Solar-Fensterscheiben. Diese sollen in bunten Farben strahlen und gleichzeitig sauberen Strom produzieren – sogar dann, wenn die Sonne längst untergegangen ist.

Immer mehr Menschen wollen aktiv dazu beitragen, unsere Umwelt ökologischer und nachhaltiger zu gestalten. Genau deshalb werden immer mehr Solaranlagen auf heimische Dächer und Wiesen gepflanzt. Lange Zeit als Nischenprodukt angesehen, ist nun aber auch die sogenannte gebäudeintegrierte Photovoltaik im Vormarsch. Für die benötigte Akzeptanz in der Bevölkerung ist eine architektonisch-ästhetische Optimierung notwendig. Und genau diese ist durch eine systematische Integration umweltfreundlicher Energiequellen tatsächlich möglich.

Forscher*innen der Rice University in Houston/Texas gehen mit ihrer innovativen Entwicklung nun sogar einen Schritt weiter. Mithilfe von sogenannten lumineszierenden Solarkonzentratoren (LSCs) in Fensterscheiben kann einfallendes Licht absorbiert und anschließend zu den Solarzellen am Scheibenrand weitergeleitet werden. Das Besondere: Die Scheiben strahlen in bunten Farben, werden also zu echten Hinguckern, die gleichzeitig auch noch Strom produzieren.

Polymere als Geheimzutat

Unter der Leitung von Rafael Verduzco und Yilin Li von der Brown School of Engineering an der Rice University hat das Team quadratische Fenster mit derartigen Eigenschaften entworfen und auch tatsächlich realisiert. Die äußerste Schicht bilden zwei klare Acrylplatten. Diese schließen die speziellen Solarkonzentratoren ein. Spannend wird es bei der dünnen Mittelschicht – der Geheimzutat des Sandwiches. Diese setzt sich aus einem konjugierten Polymer zusammen. Zum Verständnis: Konjugierte Polymere sind chemische Verbindungen. Aufgrund der spezifischen chemischen oder physikalischen Eigenschaften werden diese für eine Vielzahl von Anwendungen herangezogen, wie etwa bei Sensoren für biomedizinische Geräte.

Die Polymere wurden so konzipiert, dass sie Licht in einer bestimmten Wellenlänge absorbieren und zu den mit Solarzellen ausgekleideten Plattenrändern weiterleiten „Wenn man die molekularen Bestandteile anpasst, kann man auf diese Weise Licht in einer ganzen Reihe von Farben absorbieren und konzentriert an Solarzellen weiterleiten“, erklärt Wissenschafter Yilin Li begeistert.

Solar-Fensterscheibe sorgt auch nachts für Grünstrom

Das Polymer funktioniert also als eine lichtemittierende Verbindung – von Forscher*innen auch Polynaphthalin-Alt-Vinylen genannt. Diese Verbindung fängt aber nicht nur das fürs menschliche Auge unsichtbare Sonnenlicht ein, vielmehr nimmt sie als Wellenleiter Licht aus jeder Richtung auf – also auch von Innenräumen der Häuser. „Tatsächlich haben Tests gezeigt, dass sie sogar effizienter sind, wenn sie Umgebungslicht von LEDs im Inneren von Gebäuden umwandeln“, so Li.

Zahlreiche durchgeführte Tests demonstrierten: Bei direktem Sonnenlicht zeigten getestete Paneele eine Energieumwandlungseffizienz von knapp 2,9 Prozent. Unter LED-Umgebungslicht waren es 3,6 Prozent. Wirklich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass direktes Sonnenlicht gut hundertmal stärker ist als künstliches Licht. LSC-Fenster produzieren also nonstop Sonnenstrom. „Im Gegensatz zu einer Standardanlage am Dach“, weiß der Experte.  Selbst wenn die Sonne schon längst unter dem Horizont verschwunden ist, wandeln die bunten Scheiben weiterhin Licht in elektrische Energie um. Also: Abends einfach das Licht anknipsen!

Solar-Fensterscheiben
So könnte ein Einfamilienhaus, das mit LSC-Fenstern ausgestattet ist, in Zukunft aussehen.

Schöne Optik, schwache Leistung

Die farbenfrohen Solarscheiben haben derzeit allerdings noch einen gravierenden Nachteil: Der Wirkungsgrad ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Solarzellen. Genauer gesagt werden nur knapp 2,9 Prozent der zur Verfügung stehenden Energie von der Photovoltaikzelle tatsächlich in Solarstrom umgewandelt. Um die Relationen ins rechte Licht zu rücken: Der Wirkungsgrad bei heute üblichen Solarzellen liegt durchschnittlich bei über 20 Prozent. Es stellt sich nun die Frage, warum das Forscher*innenteam von seinen LSCs-Scheiben dennoch so überzeugt ist.

Je mehr Solaranlagen, desto besser

Ganz einfach: „Die Motivation für diese Forschung ist, Energieprobleme für Gebäude durch integrierte Photovoltaik langfristig zu lösen“, sagt Li, der das Projekt im Rahmen eines „Smart Glass“-Wettbewerbs begonnen hat. Das sei eben ein erster, aber vielversprechender Schritt in die richtige Richtung. Solardächer sind laut des Experten momentan eine Mainstream-Lösung, bei der es noch einige Hürden zu überwinden gilt. Schließlich müssen sie stets im optimalen Winkel zur Sonne stehen, denn nur so kann auch tatsächlich genügend Grünstrom erzeugt werden. „Und ihr Aussehen ist nicht sehr ansprechend“, fügt Yilin Li hinzu. Um solare Architektur weiter salonfähig zu machen, keimte die Idee von strahlenden Fensterscheiben, die einen ganzen Haushalt mit Solarstrom versorgen können.

Kreative Stromerzeugung für die Zukunft

Fensterglas verwandelt sich in Zukunft aber nicht nur in ein kleines Solarkraftwerk, sondern auch in ein richtiges Kunstwerk: Die speziellen Solarkonzentratoren können in verschiedenen Mustern in die Paneele gedruckt werden. Bis die farbenfrohen LSCs-Scheiben nahtlos in Gebäudestrukturen weltweit integriert werden können, wird es allerdings wohl noch dauern. Schließlich muss das Forscher*innenteam noch fleißig an der Steigerung der bis dato niedrigen Energieeffizienz arbeiten. Doch eines ist sicher: Die Wissenschafter*innen der Rice University in Houston haben mit ihrer Entwicklung bereits jetzt ganz schön viel Farbe in die Welt der Photovoltaik gebracht.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: RICE UNIVERSITY / YILIN LI