20. Juli 2021
Solarzellen züchten, geht das?

Forscherinnen und Forscher aus den USA ist ein unglaublicher Durchbruch in der modernen Solartechnik gelungen: Dank eines neuartigen Verfahrens können sie nun erstmals Kristalle aus Samen ziehen, die weitergehend für solare Stromproduktion angewendet werden sollen.

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Dass die Natur voller Wunder steckt, ist im Kleinen und im Großen sichtbar. Und oft eben auch in der Technologie. Denn diese Wunder dienen Forscher*innen oft als Inspiration und Ideengeber. Wie etwa der Löwenzahn – oder besser gesagt dessen weiße Schirmchen, die nach dem Abblühen der gelben Blüte entstehen und langsam durch die Luft Richtung Boden segeln. Wussten Sie, dass der Fallschirm dem Prinzip dieser fliegenden Samen nachempfunden sind? Ohne das Vorbild Natur müssten wir wohl auf viele spannende Entwicklungen in Forschung und Industrie verzichten.

Stichwort: Samen. Selbst gezüchtete Samen sollen nun den Ausbau erneuerbarer Energiequellen vorantreiben. Ingenieurinnen und Ingenieure der Rice University in Houston, Texas haben „nahezu perfekte“ 2D-Perowskit-Kristalle für photovoltaische Anwendungen selbst hergestellt. Und diese sind – trara! – aus Samen gewachsen. Die Kristalle sind laut Forschungsteam sowohl stabil als auch hocheffizient bei der Gewinnung von Strom aus Sonnenlicht.

Neue Technologie im Anmarsch

Aber alles der Reihe nach. Dunkelblaue Solarzellen aus Silizium sind auf heimischen Wiesen und Dächern zwar heutzutage die am meisten verbreitete Technologie für Photovoltaik – doch längst nicht mehr die einzige. Denn die sogenannte Perowskit-Technologie ist bereits in den Startlöchern. Doch was versteht man unter diesem Begriff? Perowskit ist der Sammelbegriff für neuartige Materialien, deren Kristallstruktur dem ebenfalls Perowskit genannten natürlichen Mineral gleicht.

Diese Solarzellen, die es in ihren Grundzügen übrigens bereits seit dem Jahr 2009 gibt, gelten jedenfalls als Alternative zu herkömmlichen Siliziumzellen. Im Labor hergestellt, erzielen sie inzwischen Wirkungsgrade von über 25 Prozent. Nun sollen sie ihren Weg schnellstmöglich vom Labor in die Grünstromanlagen finden. Denn Perowskit-Solarzellen sind nicht nur günstig, sondern auch leicht zu verarbeiten – im tatsächlichen Betrieb jedoch noch zu wenig stabil.

Diese hier bereits gelösten Keime werden bei der Seeded-Wachstumsmethode …

… zum dünnen Film aus 2D-Halogenid-Perowskit-Kristallen mit gleichmäßiger Dicke.

Weg frei für die Energiezukunft

Genau bei diesem Problem knüpfen Ingenieur*innen in Texas mit ihrer entwickelten „Seeded-Wachstumsmethode“ an. Diese soll Leistungs- und Produktionsprobleme bei sogenannten Halogenid-Perowskiten lösen. Genau diese Solartechnik gilt für viele Expert*nnen als das „Wundermaterial der Photovoltaik“ und soll ermöglichen, dass Solarzellen möglichst viel Sonnenenergie aufnehmen, die in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Das Besondere: Mithilfe der Halogenid-Perowskiten könnten in Zukunft extrem dünne und effiziente Solarzellen hergestellt werden, die etwa unter anderem in Glasfassaden eingesetzt werden könnten.

Nach intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gelang es dem Team in Texas tatsächlich, solch homogene, dünne Filme aus Kristallsamen zu züchten, die eine gleichmäßige Dicke aufweisen. Diese wiederum soll als Medium zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Laut Forscher*innen konnte dabei zumindest ein Wirkungsgrad von 17 Prozent erreicht werden – ohne vorherige Optimierung der Entwicklung. „Wir denken, dass wir das in mehrfacher Hinsicht verbessern können“, sagt Studien-Co-Autor Aditya Mohite in der dazu veröffentlichten Studie.

Testversuche vor dem tatsächlichen Einsatz

In bereits durchgeführten Laborversuchen haben sich die aus den hauchdünnen Filmen hergestellten PV-Zellen erstmals sowohl als effizient als auch als zuverlässig erwiesen. „Eine bisher problematische Kombination für solare Komponenten, die aus3D- oder 2D-Perowskiten hergestellt wurden“, heißt es im Studienbericht.

Frühere Forschungsarbeiten zeigen das Problem: 3D-Halogenid-Perowskit-Photovoltaikgeräte waren zwar hocheffizient, aber anfällig für schnellen Leistungsabbau. 2D-Geräte waren zwar sehr stabil, hatten aber einen geringeren Wirkungsgrad. Die neuartigen Zellen haben jedenfalls nach 800 Stunden Dauerbeleuchtung mehr als 97 Prozent ihrer Spitzeneffizienz beibehalten.

So funktioniert’s:

Bei der speziellen Seeded-Wachstumsmethode werden einheitliche Kristalle, also die Keime, langsam gezüchtet und anschließend zu einem Pulver gemahlen. Dieses wird wiederrum in einem speziellen Mittel aufgelöst und per Spin-Coating, also Schleuderverfahren, auf ein flaches Trägermaterial wie beispielsweise Glas aufgebracht.  Die Flüssigkeit wird dabei über eine schnell drehende Scheibe gleichmäßig verteilt. Während sich das bereits erwähnte Lösungsmittel bei diesem Vorgang auflöst, kristallisieren sich die vorher beigemischten Bestandteile in einem dünnen Film.

Dieser Prozess sei laut Forscher*innen eine oft versuchte, aber bisher selten geglückte Methode. Die Seeded-Wachstumsmethode soll nun den lang erwarteten Perowskit-Durchbruch bringen. Und wie war das noch einmal mit „Was man sät, wird man auch ernten“? In diesem Fall wird das hoffentlich eine Menge sauberer Sonnenstrom sein.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH / Jose G. Ortega CastroRICE UNIVERSITY / Jeff Fitlow