12. Mai 2021
Sind die Klimaziele noch zu erreichen?

Österreich wird die angestrebten Klimaziele verfehlen! Diese Befürchtung könnte tatsächlich bittere Realität werden. Denn: Erreichbar sind die 2030er-Klimaziele nur, wenn sofort zusätzliche Maßnahmen gesetzt werden. Die Uhr tickt!

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Eines gleich vorweg: Damit die EU die von ihr beschlossenen Klimaziele überhaupt noch erreichen kann, bedarf es eines starken Miteinanders aller Mitgliedsstaaten. Die angestrebten Ziele bis 2030 spielen dabei einen essenziellen Part. Als Teil der Klimastrategie sollen sie zu einer stufenweisen Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 führen. Startschuss ist das Klima- und Energiepaket 2020.

Aber bevor wir das Problem genauer beleuchten, werfen wir kurz einen Blick auf die beschlossenen Fakten, z. B. den europäischen Klimaplan: Erstes Ziel ist die Senkung der gesamten Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990. Zweitens soll der Anteil an erneuerbarer Energie auf mindestens 32 Prozent steigen – der Stromverbrauch soll dabei sogar zu 100 Prozent durch saubere Energiequellen gedeckt werden. Drittens soll eine Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent geschaffen werden. Auch Österreichs Politik will mit dem Einreichen eines Klimaplans die Klimakrise bis 2030 maßgeblich einbremsen.

Klimaziele: Rot-Weiß-Rotes Aus?

Eben dieser eingereichte nationale Energie- und Klimaplan – kurz NEKP – ist und war immer wieder Stein des Anstoßes. Schließlich macht er klar, dass wir unser wirtschaftliches System grundlegend ändern müssen. Durch ihn wurden jene Maßnahmen, die Österreich als Lösung für die Erreichung der von der EU-Kommission vorgegebenen Klimaziele sieht, ganz offen und schonungslos auf den Tisch gelegt.

Gemäß der Kommission muss die Republik bis 2030 ihre Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Noch Ende des Vorjahres wurde demnach ein fertig gestellter Plan mit möglichen Lösungsansätzen und Strategien für eine erfolgreiche Zielumsetzung nach Brüssel gemeldet – inklusive heftiger Kritik seitens verschiedener Umweltorganisationen.  Zu wenig ambitioniert. Zu wenig Geld. Zu wenig zielgerichtete Maßnahmen, um die vorgegebenen Ziele auch wirklich erreichen zu können. Harte Kritik, die sich schlussendlich auch bestätigte. Denn eines ist sicher: Die Umwandlung in ein nachhaltiges Land wird mithilfe der Maßnahmen des eingereichten NEKP ganz klar scheitern.

Zum Aufatmen: Der Kampf um das Klima ist noch nicht verloren – zusätzliche Maßnahmen können die Energiewende nach wie vor ausreichend vorantreiben.

Kann uns die „Mission 2030“ noch retten?

Österreichs derzeitige Regierung setzt sich ganz besonders für die Energiewende und gegen die Klimakrise ein. Ein aufgestelltes „Superministerium“ für Klimaschutz und Umwelt sowie Energie und Infrastruktur unter der Leitung von Bundesministerin Leonore Gewessler soll die grüne Geheimwaffe für den Klimaschutz sein. Das bestätigt auch das Regierungsprogramm von 2020–2024: Unter dem Hashtag #mission2030 werden zielgerichtete Strategien und Maßnahmen für die Erreichung der Klimaziele entwickelt. Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber weiter Vollgas geben. Derselben Meinung ist auch Ministerin Gewessler: „Wir müssen nachliefern.“ Die bisherigen sanften Ziele müssen, laut Bundesministerin, geschärft werden. Kleine Erfolge – wie etwa das Aus für Ölheizungen im Neubau ab 2021 und der Abbau klimaschädlicher Subventionen – können sich aber schon sehen lassen.

Es gibt einen Bereich, der dem Klimaschutz ganz schön Tempo macht: die Stromwirtschaft. Schließlich sollte der Stromverbrauch ja bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Ein ganz schön ehrgeiziges, aber kein unrealistisches Ziel. Vorausgesetzt, die richtigen Maßnahmen werden rasch umgesetzt.

Klimaziele nur mit Photovoltaik erreichbar?

Photovoltaik-Experte Dipl. Ing. Hubert Fechner sieht dabei vor allem die Photovoltaik als Lösungsansatz: „Die Photovoltaik befindet sich gerade in einer Trendwende. Hohe politische Kreise begreifen, dass die Photovoltaik der Schlüssel für die Erreichung der Energieziele ist.“ Darüber hinaus hat die Sonnenenergie im Vergleich zu anderen Technologien, wie etwa der Windkraft, einfach das größte Potenzial für den benötigten Zuwachs in Österreich, so Fechner. Für die Erreichung des angepeilten Stromziels ist ein Photovoltaik-Zubau von insgesamt 11 TWh nötig – das wäre eine knappe Verzehnfachung der aktuell installierten PV-Leistung.

Das geplante „1-Million-Photovoltaik-Dächer-Programm“ der Regierung sollte dieses Vorhaben unterstützen. Hubert Fechner betrachtet dieses Projekt jedoch mit kritischem Auge – so sei es sehr unwahrscheinlich, diese Menge an Gebäuden mit PV-Anlagen auszustatten. Die Richtung stimmt, jedoch benötigt es einen noch stärkeren Ausbau abseits der Dachanlagen. „Das technische Potenzial an Gebäuden ist vielleicht ein Drittel an Photovoltaik, die wir in Österreich brauchen“, so der PV-Experte. Diese tragen zwar auch zur Klimawende bei, können aber den benötigten Zubau von bis zu 1,7 TWh pro Jahr nicht alleine stemmen.

Ein erhöhter Ausbau der PV-Anlagen abseits der Dächer ist also dringend nötig.

PV-Freiflächenanlagen ermöglichen einfach viele Optionen – bereits versiegelte Flächen oder nicht anderweitig genutzte Acker kommen für den Ausbau in Frage. Eine jüngst erschiene Studie von Österreichs Energie bestätigt das enorme Potenzial in PV-Anlagen abseits von Gebäuden und Dächern. Brach liegende Flächen können dabei wieder sinnvoll genutzt werden. Auch Österreichs Landwirte seien, laut Fechner dafür offen, ihre Äcker mit schlechten Erträgen für gewinnbringende PV-Freiflächenanlagen bereitzustellen.

Klares und warnendes Statement des Experten

„Es bedarf eines gut ausstrukturierten PV-Masterplans für Österreich!“ – ein ganz klares Statement von PV-Experte Fechner. Aber wie soll der Photovoltaik-Ausbau in Österreich funktionieren? Wo und in welcher Form ist ein Ausbau sinnvoll? Welche Flächen werden adressiert? Fragen, die schnellst möglich beantwortet werden müssen. Denn nur so kann das volle Potenzial ausgeschöpft und die Klimaziele doch noch erreicht werden.

Oft sind es aber auch Behörden, die den Weg in eine klimafreundliche Zukunft zu einem wahren Kraftakt werden lassen. Es gibt eine Reihe an Stolpersteinen, die es erst einmal zu überwinden gilt. Niedrigere Netzanschlusskosten oder verlässliche Förderstrukturen wären zum Beispiel rechtliche Vereinfachungen, die den PV-Ausbau und den Weg in eine grüne Zukunft problemloser und vor allem schneller vorantreiben würden.

Dazu ist es auch die Eigeninitiative der Bewohner*innen Österreichs notwendig – schließlich fängt Klimaschutz im Kleinen an. Dazu ein kleiner Tipp: Vielleicht einmal mehr ins Rad- anstatt aufs Gaspedal treten. Oder sich mit dem Gedanken, eine PV-Anlage zu installieren, auseinandersetzen. Denn wie ganz klar und deutlich zu erkennen ist, sind sie das Ticket in ein nachhaltiges Österreich. Wir haben die Chance.

Also: Auf und der Sonne entgegen!

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH | MARKUS SPISKE