3. Juni 2022
Jetzt wird Solarenergie jahrelang gespeichert

Schwedische und chinesische Forschende haben eine neue Molekülart entwickelt, mit der Sonnenenergie bis zu 18 Jahre lang gespeichert und erst dann in Strom umgewandelt werden kann, wenn dieser auch tatsächlich benötigt wird.

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Fest steht: Photovoltaikanlagen liefern heute unschlagbar günstigen Strom. Schließlich stammt dieser aus einer unversiegbaren und dazu kostenlosen Quelle – der Sonne. Rohstoffe müssen nicht zugekauft und angeliefert werden, die Transportkosten fallen weg. „Es bedarf keines Abbaus und keiner Raffinerien, es entsteht außerdem kein Abfall, den man irgendwie entsorgen müsste“, weiß Ferdinand Trauttenberg, Geschäftsführer Enery Österreich. Grünstrom aus Photovoltaikanlagen ist also sauber und umweltschonend, aber eben auch wetterabhängig. Je nach Wetterlage oder auch Tageszeit schwankt die Menge an erzeugter Energie. Aber keine Sorge, auch bei Regen oder Dunkelheit kann Sonnenstrom genutzt werden – und zwar mithilfe von Speichersystemen. Der Zweck hinter solch einem Energiespeicher ist schnell erklärt: Vergleichbar mit einem Akku, kann er immer wieder geladen und entladen werden. In unserem Fall eben mit solarer Energie.

Klingt gut, geht aber noch besser. Denn Wissenschafter*innen an der Universität Chalmers im schwedischen Göteborg ist es nun gelungen, ein Energiesystem zu entwickeln, mit dem Solarenergie bis zu 18 Jahre lang gespeichert werden kann. Genannt wird dieses „Molecular Solar Thermal System“, kurz MOST.

Rund um die Uhr sauberer Strom

Bereits seit 2017 tüftelt das Team rund um den Ingenieur Kasper Moth-Poulson an diesem innovativen Energiespeichersystem. Nun hat es endlich einen Weg gefunden, die gespeicherte Energie in Elektrizität umzuwandeln. „Das ist eine radikal neue Art der Stromerzeugung aus Sonnenenergie“, erklärt Moth-Poulsen gegenüber Euronews. Und weiter: „Es bedeutet, dass wir die Sonnenenergie nutzen können, um unabhängig von Wetter, Tageszeit, Jahreszeit oder geografischem Standort Strom zu erzeugen.“

Ein neues Molekül macht’s möglich!

Nun stellt sich freilich die Frage, wie Solarenergie über einen solch langen Zeitraum gespeichert werden kann. Simpel ausgedrückt, basiert die an der Universität Chalmers entwickelte Technologie auf einem speziell entwickelten Molekül aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Kommt dieses in Kontakt mit Sonnenlicht, so verändert es seine Form und ordnet sich zu einem sogenannten „energy-rich isomer“ (zu Deutsch: „energiereiches Isomer“) an. Zum Verständnis: Als Isomer wird ein Molekül bezeichnet, das zwar dieselben Atome wie das ursprüngliche Molekül besitzt, allerdings anders angeordnet ist. Und genau diese neue Anordnung ermöglicht es, dass das Isomer in flüssiger Form gespeichert werden kann – bis zu 18 Jahre lang. Und dann? Wie kann das mit Sonnenenergie bepackte Isomer weitergehend für sauberen Strom sorgen?

Und zack: Sonnenenergie!

Die Forscher*innen versichern, dass die Energie des Moleküls zu einem späteren Zeitpunkt ganz einfach genutzt werden kann. Und so funktioniert’s: Ein speziell entwickelter Katalysator setzt die Energie in Form von Wärme frei und bringt das Molekül in seine ursprüngliche Form zurück. Dieses kann danach wieder neue Sonnenstrahlen aufnehmen. Für die Umwandlung in elektrische Energie kommen „ultradünne Chips“, die von Forscher*innen der chinesischen Universität Jiao Tong entwickelt wurden, zum Einsatz. Mittels des ultradünnen Chips, der als Generator dient, kann die Wärme, die das Molekül abgibt, in elektrische Energie umgewandelt werden. Der Chip soll „in elektronische Geräte wie Kopfhörer, Smartwatches und Telefone integriert werden“, erklärt der beteiligte Forscher Zhihang Wang.

Solarenergie gespeichert

Die jahrelang gespeicherte Solarenergie kann auch tatsächlich in Strom umgewandelt werden.

Einziger Wermutstropfen: „Bisher haben wir nur kleine Mengen Strom erzeugt“, so Wang. „Aber die neuen Ergebnisse zeigen, dass das Konzept wirklich funktioniert. Es sieht sehr vielversprechend aus“, so der Wissenschafter weiter. In Zukunft könnte die Erfindung möglicherweise sogar Batterien ersetzen. Ob und wie dieses neue Speichersystem in Zukunft auch bei größeren Anlagen genutzt werden kann, ist noch nicht bekannt. Schließlich befindet sich das Konzept derzeit noch in den Kinderschuhen. Dennoch könnte es den Weg für eine intensivere Nutzung von Solarenergie ebnen.

✅ TEXT: Sandra Rainer
✅ FOTOS: UNSPLASH / Aziz Acharki; Chalmers University of Technology/Daniel Spacek