13. Mai 2021
Heißes Eisen: Jetzt wird Sonnenstrom aus Müll gemacht!

Sonniges Wetter pusht Solaranlagen auf Hochleistung. Aber was tun, wenn die Sonne streikt? Ein junger Forscher von den Philippinen kennt die Lösung. Seine neuartige Technologie AuREUS soll rund um die Uhr für Sonnenstrom sorgen – und hergestellt wird sie aus Ernteabfällen.

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Alle sind sich einig: Das Jahr 2020 war anders. Dass es aber auch seine positiven Seiten hatte, zeigt der James Dyson Award. Dieser wird bereits seit 15 Jahren an junge Menschen mit innovativen und problemlösenden Ideen verliehen. Die diesjährige Anmeldeliste beweist, dass es davon unglaublich viele gibt. Denn trotz der Umstände war die Liste sehr lang: Es wurden mehr Beiträge als je zuvor eingereicht. Einer davon: die sogenannte AuREUS System Technology, eine völlig neuartige Methode zur effektiven Energieerzeugung aus Sonnenlicht.

Nicht nur die Erfindung ist einzigartig: Erstmals in der Geschichte des James Dyson Awards wird eine eingereichte Innovation mit einem eigenen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Stolzer Preisträger: der 27-jährige Student und Erfinder der AuREUS-Technology, Carvey Ehren Maigue von den Philippinen. Dieser ist nun nicht nur Besitzer eines renommierten Preises, sondern auch von 30.000 Euro Preisgeld. Grünes Denken zahlt sich also doppelt aus. Doch mit welcher bahnbrechenden Erfindung konnte sich der junge Student gegen die Konkurrenz durchsetzen? Maigue entwickelte eine Technologie, mit der es möglich ist, verrottetes Obst und Gemüse in ein spezielles Material zu transformieren. Dieses sammelt UV-Licht und wandelt es in solare Energie um. Vereinfacht gesagt: Der junge Forscher macht aus dreckigem Abfall sauberen Sonnenstrom!

Vom Feld aufs Fenster

Bevor es aber zur sonnigen Wiederbelebung der Ernteabfälle kommt, müssen erst einmal die für die neuen Solarzellen wichtigen lumineszierenden Partikel herausgefiltert werden. Sprich: Obst und Gemüse werden zerkleinert, ihre Säfte extrahiert, gefiltert, destilliert oder eingeweicht. Bevor das Material dann zu einer modulähnlichen Verkleidung geformt wird, werden die gewonnenen Partikel sehr fein in Harz verteilt. Nur so kann die Substanz an bestehende Strukturen und Oberflächen angebracht werden.

AuREUS erkennt unsichtbares Potenzial

Aber nicht nur die Herstellungsmethode brachte die Award-Jury zum Staunen: Mit dem Material lässt sich Energie auf eine Weise erzeugen, wie es mit herkömmlichen Solarkollektoren einfach nicht möglich ist. Die enthaltenen Partikel absorbieren erst UV-Licht und fangen dann an zu glühen. Dadurch wird Energie erzeugt. Das sichtbar werdende Licht wird wiederum in Strom umgewandelt. Integrierte Regelkreise sorgen dafür, dass der Grünstrom entweder gespeichert oder sofort genutzt wird. „Auf diese Weise kann er direkt als Einzelgerät verwendet oder in Gruppen verbunden werden, um eine höhere Leistung zu erzeugen“, so Carvey Ehren Maigue. Außerdem kann er auch leicht in bereits vorhandene Solaranlagen integriert werden. Denn seine elektrische Leistung ist auch für solche Systeme geeignet.

Außerdem können mit der AuREUS-Technology zusätzliche UV-Strahlen eingefangen werden, die von Gehwegen und umgebenden Gebäuden abprallen – auch an wolkigen Tagen. Dadurch werden die erzeugte Energiemenge und die Leistung der Anlage maximiert. Das zeigen auch aktuell durchgeführte Tests: Mit dem System lässt sich bis zu 48 Prozent der Zeit Strom erzeugen. Herkömmliche photovoltaische Zellen sorgen im Vergleich nur in 10 bis 25 Prozent der Zeit für sauberen Strom. Ein bemerkenswerter Unterschied, der den aufgewerteten Abfall zu einer echten Super-Sonnenanlage macht.

Landwirt*innen profitieren von der Innovation

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, woher das Material für die neue Anlage eigentlich stammt. Die organischen Abfälle werden von lokalen Landwirt*innen bezogen. Und für diese bieten die aufgewerteten Zellen einen echten Mehrwert. Denn etwa ein Viertel der Bevölkerung auf den Philippinen ist im Agrarsektor beschäftigt. Aufgrund der globalen Erwärmung wird diese Branche jedoch immer öfters von schweren Unwettern getroffen. Allein zwischen 2006 und 2013 wurden mehr als sechs Millionen Hektar Ernten im Wert von schätzungsweise 3,8 Milliarden Dollar beschädigt.

Genau deshalb arbeitet Carvey Ehren Maigue nach dem Motto: Was auf dem Boden verrottet, wird trotzdem sinnvoll genutzt. „Bei der Konzeption von AuREUS zielte ich darauf ab, eine zukunftsweisende Lösung in Form von erneuerbaren Energien zu schaffen und gleichzeitig eine gegenwärtig-wertschöpfende Lösung für unsere Landwirt*innen zu integrieren, die von den heutigen Auswirkungen des Klimawandels negativ betroffen sind“, erklärt der junge Forscher. Mit seiner Erfindung kurbelt er also nicht nur die Energiewende an, sondern gibt den Landwirt*innen in seiner Heimat auch die Möglichkeit, aus ihren Ertragsverlusten doch noch einen Gewinn zu machen.

Ernteabfall als der sonnige Rohstoff der Zukunft

Das Potenzial der aufgewerteten Sonnenerzeuger ist gigantisch. Genau darum werden derzeit neue Anwendungsmöglichkeiten für die AuREUS-Technologie auf Herz und Nieren geprüft – wie etwa die Installation auf Autos, Booten oder sogar Flugzeugen. Alles wäre denkbar. Auch James Dyson selbst ist Fan der ersten Stunde: „Es ist beeindruckend, wie sich Ernteabfälle mit AuREUS auf nachhaltige Weise wiederverwerten lassen.“

Und die Idee hat ganz klar das Zeug, sich als Game Changer der Solarbranche zu entpuppen. Denn noch nie wurde grüne Stromerzeugung und sinnvolle Nutzung von schlechten Lebensmitteln miteinander kombiniert – und das auch noch so erfolgreich. Auch andere Länder könnten mit AuREUS einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Denn: Warum Abfall in die Tonne werfen, wenn er doch auf solaren Zellen eine viel bessere Figur machen würde?

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: THE JAMES DYSON FOUNDATION