21. Juni 2022
Biegsame Solarzellen mischen Solarbranche auf!

Seit Jahren arbeiten Wissenschafter*innen daran, biegsame Solarzellen, die herkömmlichen Produkten in nichts nachstehen, auf den Markt zu bringen – und das mit Erfolg. Die organischen Zellen sind heute nicht nur dünn, leicht und flexibel einzusetzen, sondern auch preiswert herzustellen. Jetzt stehen sie kurz vor der Massenproduktion.

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Wenn es um Photovoltaik geht, sind starre Solarzellen aus kristallinem Silizium noch immer der Standard. Diese werden auf freie Flächen gepflanzt oder versorgen auf dem Dach die eigenen vier Wände mit sauberer Energie. Die besten monokristalline Module erreichen dabei inzwischen Wirkungsgrade zwischen 20 und 22 Prozent, bei polykristallinen Solarmodulen sind es etwa 15 bis 20 Prozent. Demgegenüber hinkten organische Solarzellen lange hinterher. Kurze Frage: Was sind organische Zellen und wie unterscheiden sich diese von Zellen auf Siliziumbasis?

Sogenannte „Organic Photovoltaics“ bestehen aus Werkstoffen der organischen Chemie – also Kohlenwasserstoffverbindungen. Daher werden sie oft Kunststoff- oder Plastiksolarzellen genannt. Bei diesen flexiblen Dünnschichtsolarzellen auf Polymerbasis werden Halbleiter als dünne Schicht auf einen Trägerfilm aus Kunststoff aufgedruckt. Die resultierenden Zellen sind leicht, biegsam und können weitergedacht sogar auf dehnbare Textilien angebracht werden. Klingt zwar ziemlich vielversprechend – großflächig ist diese Technik allerdings noch nicht zum Einsatz gekommen. Zu gering sei der Wirkungsgrad und zu viele Fragen hinsichtlich Materialforschung noch unbeantwortet. Das deutsche Start-up Heliatek und der japanische Ricoh-Konzern haben sich dieser Sache angenommen und an vielversprechenden Lösungen gearbeitet – und bereiten tatsächlich die industrielle Fertigung von biegsamen Solarzellen

Photovoltaikmarkt revolutionieren

Organische Solarzellen werden produziert, indem das photovoltaische Material auf einen bestimmten flexiblen Untergrund gedruckt wird. Dabei handelt es sich meistens um eine Plastikfolie oder andere biegsame Substrate. Der Wirkungsgrad beträgt nur bis zu 15 Prozent – also um einiges weniger als bei konventionellen Solarmodulen. Allerdings sinkt die Effizienz der neuartigen Zellen auch bei der Verwendung in Innenräumen nicht. Sprich: Organische Solarpaneele sollen in Zukunft vor allem als Energiequellen für Smart-Speaker, Sensoren, Smart-Home-Geräte und Fernbedienungen eingesetzt werden. Im Gegenzug zu Zellen auf Siliziumbasis sind organische Zellen zudem in der Fertigung kostengünstiger und können mit einer Lebensdauer von 20 oder mehr Jahren auch ziemlich lange Sonnenstrom produzieren. Laut Expert*innen sollen die Kosten in Zukunft dank industrieller Produktion weiter sinken und bei etwa der Hälfte der Siliziumvariante liegen.

Biegsame Solarzellen

Die biegsamen Solarzellen sollen in Zukunft vor allem als Energiequellen für Smart-Speaker, Sensoren, Smart-Home-Geräte und Fernbedienungen eingesetzt werden.

 

Leicht und anpassbar

Auch das geringe Gewicht spricht für organische Solarzellen. Derzeit wiegt Heliateks Lösung etwa rund zwei Kilo pro Quadratmeter. Das Gewicht soll, wenn die Technik reift, noch weiter sinken. Dank der Gewichtseinsparung könnten organische Solarzellen somit überall dort zum Einsatz kommen, wo klassische Siliziummodule zu schwer wären oder aufgrund ihrer starren Struktur gar nicht montiert werden könnten. Heliatek denkt dabei etwa an Kuppeldächer oder Industriebauwerke. Bisher nicht zur Energiegewinnung verwendbare Flächen könnten dementsprechend nutzbar gemacht werden. Nettes Zusatz-Feature: Die weiter entwickelten Zellen können laut Entwickler*innen in verschiedenen Farben gedruckt werden, sodass sie sich besser in die Umgebung einfügen lassen.

Produktion ohne Schadstoffe

Apropos Umwelt: Diese könnte von der neuen Technologie gleich doppelt profitieren. Einerseits wird eben sauberer Sonnenstrom erzeugt, anderseits machen die organischen Solarzellen ihrem Namen alle Ehre und enthalten keinerlei Schadstoffe. Künftig könnten also alle nur denkbaren Gebäude und Fassaden mit flexiblen Solarzellen bestückt werden – ohne dass Umwelt und Optik dabei in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie bei jedem neuen Produkt muss zunächst aber abgewartet werden, wie sich der Markt entwickelt. Wo es möglich ist, dürften aufgrund ihrer höheren Effizienz zwar weiterhin Solarmodule aus Silizium zum Einsatz kommen, Expert*innen gehen aber davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren stark ansteigen wird. Schließlich sprechen die Vorteile der biegsamen Grünstromerzeuger – geringes Gewicht, flexible Nutzung, hohe Lebensdauer, günstiger Preis – für sie.

Biegsame Solarzellen gehen in die Massenproduktion

Tatsächlich wird es auch nicht mehr lange dauern, bis biegsame Solarzellen in großem Maßstab Sonnenstrom produzieren. Das deutsche Unternehmen Heliatek will noch heuer in die Massenproduktion starten. In der ersten Phase will man jährlich 600.000 Quadratmeter flexible Solarzellen produzieren. Später soll die Produktion auf bis zu 1,1 Millionen Quadratmeter gesteigert und damit mehr Einsatzmöglichkeiten für erneuerbare Energien eröffnet werden.

✅ TEXT: Sandra Rainer
✅ FOTOS: Heliatek; UNSPLASH/Bence Boros