Wie steht es eigentlich um unser Klima? Ist die Energiewende noch schaffbar? Die Antwort: Ja. Das zeigt jedenfalls der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC. Eine „Klima-Apokalypse“ sei demnach noch vermeidbar. Zwar steuert der Planet aktuell auf rund drei Grad Erwärmung zu, dennoch sind wir noch in der Lage, den Kurs zu ändern und die fatalen Folgen des Klimawandels zu minimieren. „Wir können noch eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle sicherstellen“, sagt dazu Hoesung Lee, der Vorsitzende des Weltklimarates.

Was aber muss passieren, um die Klimakrise zu stoppen? Geht es nach Energieexpert:innen rund um den Globus, so gelingt das vor allem durch die unvermeidliche Reduktion der Treibhausgas-Emissionen. Zur Info: Österreichs Treibhausgase stammen zum größten Teil aus der Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle. Demnach braucht es eben eine radikale Trendwende in der Gewinnung von Energie. Um das Ziel der Klimaneutralität Europas möglichst bald zu erreichen, muss in Europa dabei primär auf die Gewinnung von Sonnenenergie gesetzt werden – auch in den Bereichen Wärme und Mobilität. Das zeigen neue Forschungsergebnisse der Lappeenranta University of Technology (LUT) in Finnland.

Was ist eine „Solar-to-X-Wirtschaft“?

Die Forschenden der Universität untersuchten in ihrer Arbeit, unter welchen Umständen ein Null-Emissionsziel schon relativ zeitnah erreicht werden kann. Sie fanden dabei heraus, dass hier die Photovoltaik das gesamte Energiesystem des Kontinents in eine sogenannte „Solar-to-X-Wirtschaft“ verwandeln könnte. Sprich: Ein komplett solares System soll in Zukunft eine klimaneutrale Energieversorgung ermöglichen. Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der LUT, erklärt gegenüber dem pv magazine: „Energetische Souveränität ist für Europa möglich und endlich eine gesellschaftliche Entscheidung.“ Die Ergebnisse des finnischen Teams betonen dabei auch, dass die Photovoltaik eine tragende Säule eines Energiesystems werden sollte, in dem der produzierte Grünstrom vor allem in den Wärme- und Mobilitätssektor fließt.

Solar-to-X

Für eine optimal funktionierende Solar-to-X-Wirtschaft, muss ein perfektes Zusammenspiel von Sonne, Wind, Batteriespeichern, Elektrolyseuren und Wärmepumpen gegeben sein.

Null-Emission-Szenario schon bald Realität?

Ziel der Erhebung war also die Definition der Rolle der Solarenergie für die europäische Energiewende in einem internationalen Zusammenhang. Als Grundlage diente dabei das sogenannte „LUT Energy System Transition Model“. Dieses berücksichtigt den Wärme- und Energiebedarf von Haushalten, Gewerbe und Industrie sowie den des Verkehrssektors. Darüber hinaus flossen in die Berechnungen auch die energiebedingten CO₂-Emissionen, also jene, die bei der Energiegewinnung entstehen, ein.

Eine vollständige Versorgung Europas mit erneuerbaren Energiequellen sei laut den Forschenden bereits bis 2040 möglich. Solarstrom wäre 2050 jedenfalls mit einem Anteil von bis zu 56 Prozent am gesamten Primärenergiebedarf und bis zu 63 Prozent der gesamten Stromerzeugung die größte Energiequelle in Europa. Geht es um die Kosten für den erforderlichen Umbau der Energiewirtschaft, so seien diese allerdings um 8,5 Prozent höher als bei der Erreichung des Null-Emissionsziels im Jahr 2050.

Ein perfektes Zusammenspiel

Eine erfolgreiche Umwandlung zur grünen Energielandschaft hängt aber laut den aktuellen Ergebnissen nicht nur vom alleinigen Umstieg auf Sonnenergie ab, sondern vom optimalen Zusammenspiel von Sonne, Wind, Batteriespeichern, Elektrolyseuren und Wärmepumpen.

Ob Europa bereits bis 2040 vollständig grün sein wird, steht bis dato noch in den Sternen geschrieben. Es ist bei einer tatsächlichen Umgestaltung des Energiesystems allerdings möglich. Bis es soweit ist, müssen wir uns aber ohnehin noch ein wenig gedulden …

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH I Federico Respini; UNSPLASH I Karsten Würth

Kann einer der lebensfeindlichsten Orte der Welt zum solaren Energie-Hotspot werden? Ein Ort ohne Regen, Flüsse oder Seen? Geht es nach Cosmotaics, den Gewinnern des Social Impact Award (SIA) Österreich 2022, lautet die Antwort definitiv: ja. Die Studierenden aus Wien präsentieren einen ganzheitlichen Ansatz, um die Wüsten zu begrünen und Solarparks groß zu machen.

Ein spezielles Vorhaben

Mit ihrem Lösungsansatz denken die Studierenden Photovoltaikanlagen für Trockengebiete radikal neu. Sie verwandeln Solarfarmen in Wüsten zu echten Wasserfarmen. Das Potenzial ist jedenfalls riesig: Über ein Drittel der Erdoberfläche sind Trockengebiete, wobei der jährliche Niederschlag geringer als die potenzielle Verdunstung ist. Genau diese Regionen hat das Team von Cosmotaics im Blick. Die entworfenen Anlagen entziehen der Umgebungsluft Feuchtigkeit, die an den speziell geformten und beschichteten Bauelementen kondensiert. Je größer die Oberfläche der Anlage, desto mehr Wasser kann gesammelt werden.

Das gewonnene Wasser soll in Trockengebieten weitergehend in die Böden sickern, sodass die Wurzeln der Pflanzen mit Flüssigkeit versorgt werden. Das Beste: Den Studierenden zufolge können in der Wüste wachsende Pflanzen jedenfalls 150 Megatonnen CO2 binden. Mithilfe innovativer Grünstromerzeuger soll Wasser natürlich auch für landwirtschaftliche Aktivitäten und die Bewohner:innen der Gegend bereitgestellt werden. Ein optimaler Nebeneffekt: Die Solarmodule bleiben dank der Kondensation stets frei von Wüstenstaub. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Leistung der gesamten Anlage aus.

Die Luft einfangen

Inspiriert wurde das Forschungsteam bei der Entwicklung des Projekts von sogenannten „Nebelnetzen“ an Bergkämmen, die Wasser aus der vorbeiziehenden Luft sammeln. In Peru etwa sorgt ein solches Pilotprojekt für Aufsehen. Hier drückt Wind feuchte Luft durch die Netze der installierten Kollektoren. Der Nebel kondensiert und kleine Wassertropfen fließen aus den Netzen in Sammelkanäle, die direkt mit dem Wasserversorgungssystem verbunden sind. Der kondensierte Nebel hat Trinkwasserqualität. Für groß skalierte Anlagen in ebenen Wüstengebieten ist die Idee neu.

Cosmotaics

Inspiriert wurde das Forschungsteam von Cosmotaics bei der Entwicklung des Projekts von sogenannten „Nebelnetzen“ an Bergkämmen, die Wasser aus der vorbeiziehenden Luft sammeln.

Ein Update für Wüsten-Solaranlagen

Ganz unbekannt ist die Idee mit dem Wüstenstrom jedenfalls nicht. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Forschungsteams mögliche zukünftige Wüstensolaranlagen genau unter die Lupe genommen und Ideen auch in ernsthafte Pläne umgesetzt. Doch steht den endlosen Weiten der Wüstenlandschaft tatsächlich ein unfassbares Upgrade zum Energielieferanten bevor? Es liegt auf alle Fälle auf der Hand, denn nirgends auf der Welt scheint die Sonne so stark und verlässlich wie etwa in der Sahara. Der perfekte Ort also, um Solaranlagen im großen Stil anzudenken. Gut zu wissen: Mit einer gut strukturierten Solartechnologie könnte die Sahara das gut 7000-fache des Energiebedarfs in Europa decken. Und das auch noch fast ohne CO2-Emissionen. Eine ganz schön heiße Sache also!

Was bereits geschah

Eine heiße Sache, die sich vor allem die 2009 gegründete Desertec Industrie-Initiative – kurz Dii – genau angesehen hat und weitergehend auch vielversprechende Lösungen präsentierte. Sie arbeitete mehrere Jahre an der tatsächlichen Umsetzung eines Solarprojekts. Das Ziel: Wüstenstrom zu erzeugen und diesen mittels Leitungen nach Europa zu transportieren. Politische, kommerzielle und soziale Probleme verhinderten allerdings die tatsächliche Umsetzung des Projekts. Also: Aus der Traum von einem echt grünen Wüstentraum? Nicht ganz. Die Wiener Studierenden machen jedenfalls Hoffnung, dass dieser vielleicht doch noch in Erfüllung geht.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH I JOHN FOWLER; Peter Trautwein