30. Mai 2023
Solarenergie – auch in der Nacht

Photovoltaikanlagen benötigen für die Stromerzeugung bekanntlich Sonnenlicht. US-Forscher haben jedoch ein System entwickelt, mit dem Solarenergie auch in der Nacht gewonnen werden kann.

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„Solarenergie funktioniert doch nur unter tags – und auch dann nur, wenn die Sonne scheint.“ Diesen oder einen ähnlichen Satz haben wohl alle bereits gehört, die sich mit Photovoltaik oder Photothermie beschäftigen. Und konnten dem kaum etwas entgegensetzen. Bis jetzt. Ein Team der kalifornischen Stanford University unter der Leitung des Elektroingenieurs Dr. Shanhui Fan hat ein Solarpaneel entwickelt, das physikalische Gegebenheiten für zusätzliche Energiegewinnung in der Nacht nutzt: Wie jeder Körper, dessen Temperatur über dem absoluten Nullpunkt liegt, emittiert nämlich auch das Paneel Infrarotstrahlung.

Vereinfacht ausgedrückt: Die Solarzelle kühlt ab, wenn sie nicht von der Sonne angestrahlt wird. Insbesondere in der Nacht. Dr. Fan: „Die Sonne ist eine äußerst wichtige erneuerbare Energiequelle. Allerdings ist das auch die Kälte des Weltraums.“

Klare Nacht – klares Ergebnis

Die Forscher konstruierten einen thermoelektrischen Generator (TEG), um aus der Temperaturdifferenz zwischen der Photovoltaik-Anlage und der Umgebung Strom zu gewinnen. Derartige Generatoren basieren auf dem sogenannten Seebeck-Effekt, der elektrische Spannung erzeugt, aus der wiederum elektrische Leistung entnommen werden kann. „Üblicherweise besteht die Außenhülle einer PV-Zelle aus Siliziumdioxid, das im mittleren Infrarot-Wellenlängenbereich stark emittiert, daher sollte eine Solarzelle nachts einen starken Strahlungskühlungseffekt aufweisen“, so das Team der Standford University, das bei ihren Experimenten aus dem Temperatur-Unterschied des aufgewärmten Solarpaneels und der kühlen Nachtluft bis zu 50 Milliwatt Stromleistung pro Quadratmeter Paneel erreichen konnte – bei klarem Nachthimmel und einer Leerlaufspannung von 100 Millivolt.

„Das ist im Vergleich zu früheren Versuchen signifikant mehr“, betonten die Forscher. Und sie wiesen auf einen Zusatznutzen an Tagen mit bedecktem Himmel hin: „Auch unter tags liefert der thermoelektrische Generator, zusätzlich zum direkt von den Photovoltaik-Zellen erzeugten Strom, Energie. Unser System kann daher tagsüber und nachts als kontinuierliche, erneuerbare Energiequelle an netzfernen Standorten genutzt werden“. Die Wissenschaftler schätzen, dass bis zu zwei Watt Strom pro Quadratmeter mit PV-TEG-Anlagen erzeugt werden kann.

Sonne Nacht

Reduzierter Bedarf an Speicherung

Die gewonnen Strommenge ist im Vergleich zu den 100 bis 200 Watt pro Quadratmeter, die ein typisches Solarpanel tagsüber erzeugt, zwar eine geringe. Jedoch betonen Dr. Fan und seine Kollegen die Notwendigkeit derartiger Innovationen: „Ein Großteil der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zum Stromnetz. Herkömmliche Photovoltaikzellen können eine erneuerbare, netzunabhängige Stromquelle darstellen. In vielen ländlichen Gebieten, die auf Mini-Grid- oder Off-Grid-Systeme angewiesen sind, erfordert die Verfügbarkeit von Strom während der Nacht oft die Installation zusätzlicher Energiespeicher, was die Systemkomplexität erheblich erhöht.“

Die Möglichkeit, nachts Energie aus vorhandenen PV-Zellen zu gewinnen, würde somit den Bedarf an Speichermöglichkeiten in Stromversorgungssystemen reduzieren oder gar eliminieren, so die Wissenschaftler.

Solarenergie in der Nacht: Finanziell interessant

Und sie versichern, dass bereits bestehende Systeme mit einem TEG nachgerüstet werden könnten, um nachts Strom zu erzeugen. Ein hemmender Faktor dabei (wie üblich): Die Finanzierung. Die erzeugte Energie reiche allerdings aus, um „für Anwendungen mit geringer Leistung wie dem Betrieb von LED-Leuchten, dem Aufladen eines Mobiltelefons oder der Stromversorgung kleiner Sensoren auch finanziell interessant zu sein“, erklärt Dr. Fan dazu.

Schon jetzt konnte der Prototyp relativ kostengünstig gebaut worden, die teuerste Komponente sei das Thermoelektrikum, das thermoelektrische Material, gewesen. Zudem werde weitere Forschung bezüglich Wärmeisolierung und thermoelektrischer Komponenten praktikablere, effizientere und damit kommerziell verwertbarere Systeme ermöglichen.

✅ TEXT: MICHI REICHELT
✅ FOTOS: UNSPLASH I Andrew Preble ; ENERY