23. Jänner 2023
E-Fahrzeuge: Mobile Speicher auf Rädern

Bis zu 1,6 Millionen Elektroautos sollen bis 2023 über Österreichs Straßen rollen. Aber ist unser Stromnetz für derart viele stromhungrige Fahrzeuge überhaupt ausgelegt? Oder umgekehrt: Könnten diese als Teil des Energiesystems unser Stromnetz sogar entlasten?

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Abends Strom tanken, morgens umweltfreundlich zur Arbeit fahren. Genau das ist mit den immer beliebter werdenden Elektroautos möglich. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Menschen hierzulande hinter das Steuer eines Stromers setzen. Und die Weichen für echt grünes Fahren sind bereits gestellt: Schließlich speisen immer mehr Solar- und Windkraftanlagen ihre erneuerbaren Energien ins Stromnetz ein und machen den Kraftstoff für E-Autos damit klimafreundlicher. Ein optimal ausgebautes Stromnetz ist dabei natürlich das Rückgrat für die Ladeinfrastruktur.

Doch genau dieses steht immer wieder vor Herausforderungen. Stichwort: Stromschwankungen. Solar- und Windkraftanlagen erzeugen zwar sauberen Strom, gelten allerdings als sogenannte fluktuierende oder volatile Energieträger. Sprich: Sie speisen nie gleichmäßig viel Energie ins Netz ein, weil sie abhängig von Witterung, Tages- oder Jahreszeit sind. Dass eine Gleichmäßigkeit für eine reibungslose Versorgungssicherheit aber sehr wichtig ist, liegt auf der Hand. Um Ungleichgewichte zu vermeiden, ist die Speicherung von erneuerbarem Strom unumgänglich. Erzeugen Solaranlagen und Co. zeitweise mehr Strom, als überhaupt verbraucht werden kann, könnte dieser Überschuss zwischengespeichert und in energieärmeren Zeiten abgerufen werden.

Doch was haben nun Elektrofahrzeuge mit unserem Stromnetz zu tun? Aufgrund der vielen Ladevorgänge der Autos könnte das Netz schließlich an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen, oder? Die Lösung: E-Fahrzeuge als mobile Stromspeicher nutzen, sodass Stromnetzschwankungen und Energieengpässe langfristig überbrückt werden können.

Elektroautos Stromnetz

Damit Elektroautos das Stromnetz entlasten und als Energiespeicher funktionieren können, müssen sie bidirektionales Laden beherrschen.

Teil des Energiesystems von morgen

Eines vorweg: Damit Elektroautos das Stromnetz entlasten und als Energiespeicher funktionieren können, müssen sie bidirektionales Laden beherrschen. Zur Erklärung: Bei diesem System kann der Akku des Fahrzeugs Energie sowohl aufnehmen als auch abgeben. Bidirektional ladefähige Fahrzeuge können also nicht nur elektrische Energie aus dem Netz oder der eigenen PV-Anlage aufnehmen. Sie können auch in umgekehrter Richtung von der Auto-Batterie über Ladestationen Strom in das Netz oder das Haus einspeisen.

Sind diese Ladevoraussetzungen gegeben, können Stromer also tatsächlich das Strom entlasten. Bei der Speichertechnologie Vehicle-to-Grid (V2G) fließt der Strom im Gegensatz zu Vehicle-to-Home (V2H) Strom nicht in das eigene Energiesystem, sondern gegen Entgelt zurück in das Stromnetz des Stromanbieters. Überschüssig produzierter Strom kann also in Auto-Akkus gespeichert und bei Bedarf wieder ins Netz abgegeben werden. Speicher auf vier Rädern können so Lastspitzen perfekt abfangen und für eine gleichmäßige Stromproduktion sorgen.

Flexibles Laden als weitere Idee?

Viele Forschende sehen zudem bei der Anpassung der Ladevorgänge der Fahrzeuge großes Potenzial. Durch intelligentes flexibles Laden könnte der Ladevorgang dabei so gesteuert werden, dass Fahrzeuge nur in Zeiten günstiger Netz- oder Marktbedingungen geladen werden. Bei ungünstigen Bedingungen wird der Ladevorgang gestoppt. Clevere Steuerungs- und Kommunikationsprozesse, die selbstständig im Hintergrund laufen, wenn das Auto an der Ladestation hängt, sollen dieses flexible Laden koordinieren. Wichtig sei dabei, dass der Tank dann aufgeladen ist, wenn das E-Auto benötigt wird.

Ein Elektroauto vor der eigenen Haustür bedeutet also gleichzeitig, einen leistungsstarken Speicher zu besitzen. Zu klären gilt allerdings noch, wie Autobesitzer:innen vergütet werden, wenn sie tatsächlich einen Teil der Batteriekapazitäten als mobile Speicher für das netzdienliche Laden zur Verfügung stellen. Und dann wird sich der Tritt ins grüne Pedal doppelt lohnen!

✅ TEXT: Sandra Rainer
✅ FOTOS: Unsplash | Maxim Hopman; Unsplash | dcbel