12. Mai 2022
Jetzt gibt's hektarweise Sonnenstrom
Jetzt gibt's hektarweise Sonnenstrom- Image

In den Niederlanden soll schon bald mithilfe fahrbarer Photovoltaiksysteme auf landwirtschaftlich genutzten Flächen Sonnenstrom geerntet werden. In Kombination mit einem Elektrolyseur soll aus dem gewonnen Grünstrom zusätzlich Wasserstoff erzeugt und Landwirtschaftsmaschinen damit betankt werden.

Schon gewusst? Die Niederlande sind nicht nur für farbenfrohe Tulpen oder klackernde Holzschuhe bekannt, sondern vor allem auch für ihren Export von Agrarprodukten. Tatsächlich ist das nur 41.543 km² große Land nach den USA der zweitgrößte Exporteur der Welt. Genauer gesagt setzen Obst- und Gemüselandwirt*innen mit ihren Produkten dort jährlich bis zu sechs Milliarden Euro um. Unzählige Zwiebeln, Kartoffeln, aber auch Zierpflanzen finden ihren Weg in andere Länder. Hier läuft alles nach dem Motto: Viel Ertrag auf kleinen Flächen – und das in Zukunft auch noch echt innovativ und nachhaltig. Schließlich zeigt das Land heute schon, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen kann.

Mit dem sogenannten „H2arvester“ – auf Deutsch: Wasserstofferntemaschine – will ein niederländisches Unternehmenskonsortium jedenfalls eine fahrbare Photovoltaikanlage für die Landwirtschaft auf den Weg bringen. Diese soll neben der Produktion von Grünstrom und Wasserstoff zusätzlich auch die Bodenqualität und Artenvielfalt auf Äckern verbessern.

Solarfahrzeug im Einsatz

Marcel Vroom, Design- und Geschäftsentwickler bei dem Unternehmens Npk design, verrät dem pv magazine: „Das mobile Konzept wurde vor vier Jahren von meinem Unternehmen und zwei weiteren Partnern entwickelt.“ Neben Npk design arbeiten die beiden Unternehmen L’orèl Consultancy und LTO Noord an der Entwicklung und auch schon fleißig an der Testung der neuen Solaranlage. „Zurzeit werden zwei Pilotanlagen getestet, eine in Oude-Tonge und eine in Lelystad, auf dem Forschungsbetrieb der Universität Wageningen“, erklärt Vroom. Die mobile Anlage besteht laut Hersteller aus vier Mobilen mit insgesamt 168 Solarmodulen und ist zwölf mal sechs Meter groß. Das Beste: Das Fahrzeug kann sich mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Stunde autonom weiterbewegen. „Es handelt sich um bewegliche Reihen von Solarmodulen, die auf leichten Strukturen montiert und auf Rädern gelagert sind und sich in vordefinierte Richtungen bewegen“, so Vroom weiter.

h2arvester

Konkurrenz für Lebensmittelproduktion?

Nun stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die roboterähnlichen Grünstromerzeuger landwirtschaftliche Aktivitäten beeinflussen. Die Antwort: Der H2arvester soll nach Angaben des Entwicklers nur bis zu maximal zehn Prozent einer Ackerfläche abdecken; während der Ernte kann das innovative System ganz einfach zur Seite geschoben werden. Sprich: Eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ist auch weiterhin möglich. Ein integriertes Bewässerungssystem, das die Umgebung mit Wasser versorgen kann, soll zudem für eine optimale Bodenqualität der Äcker sorgen. Wie sich die beiden Prototypen schlussendlich aber tatsächlich auf Ertrag und Boden auswirken, wird man wohl erst am Ende der Testungen wissen.

Sauberer Strom sorgt für sauberen Antrieb

Ein weiterer Vorteil des H2arvester: Er kann mit einem Elektrolyseur kombiniert werden, sodass grüner Wasserstoff aus dem zuvor gesammelten Sonnenstrom erzeugt werden kann. Dieser könnte als Treibstoff für landwirtschaftliche Maschinen genutzt werden und so die Betriebskosten auf lange Sicht reduzieren. Landwirt*innen decken mit der fahrbaren Anlage in Zukunft demnach völlig unabhängig ihren eigenen Energiebedarf.

Die entstehende Restwärme aus der Wasserstofferzeugung eignet sich laut Hersteller jedenfalls optimal zum Trocknen von Pflanzen wie Hafer, Gras und Luzerne. „Die Idee, die erzeugten Kilowattstunden Strom direkt in Wasserstoff umzuwandeln, macht aus dem System nicht nur eine autonome Produktionsanlage, sondern ist auch eine Lösung, um Erzeugung und Nutzung der erzeugten Energie auszugleichen, ohne über einen Ausbau des Stromnetzes nachdenken zu müssen“, erklärt Robert Jacobs, Energiespezialist bei L’orèl Consultancy, stolz.

Das H2arvester-Projekt ist Teil des H2GO-Programms, das die Kombination von Strom und grünem Wasserstoff untersuchen und fördern soll. Die Umwelt schützen, Kosten sparen und Teil der Energiewende werden – mit dem rollenden Grünstromerzeuger vielleicht schon bald möglich.

✅ TEXT: Sandra Rainer
✅ FOTOS: h2arvester