13. Mai 2021
Dachflächen vs. Freiflächen: Wer kann was?

Sonnenstrom ist ja eine feine Sache, aber sind große Anlangen auch schön? Oder: Sind umgekehrt ausreichend Dächer vorhanden, um die Paneele über unsere Köpfe zu verfrachten? Dachflächen oder Freiflächen? Wer kann tatsächlich was? Ein Pro und Contra das am Ende jedenfalls der Umwelt nützt.

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Eines steht fest:  Schon in wenigen Jahren soll ausschließlich grüner Strom durch unsere Leitungen fließen. Es liegt also auf der Hand, dass der Erneuerbaren-Ausbau in den nächsten Jahren rasch vorangetrieben werden muss. Kein Wunder, dass Photovoltaik-Module derzeit weltweit auf dem Vormarsch sind – und an immer ungewöhnlicheren Orten Sonnenstrom erzeugen. Egal ob in alpiner Höhe, auf stillen Wasseroberflächen oder über lauten Autobahnen. Solaranlagen sorgen mittlerweile beinahe überall für Grünstrom. Dennoch stellen klassische Anlagetypen auf Dächern und Freiflächen noch immer den größten Teil der installierten Photovoltaik dar. Nun stellt sich die Frage: Dachflächen oder Freiflächen? Wo werden effektive Stromerzeuger in Zukunft für saubere Energie sorgen?

Wer durch Stadt oder Land kann es bereits jetzt kaum übersehen: Immer mehr Eigenheimbesitzer*innen erzeugen mithilfe solarer Dachanlagen selbst Strom. Für ein langfristig sauberes Versorgungsnetz bedarf es jedoch mehr: Solarparks auf Wiesen und Felder sollen für zusätzlichen Grünstrom sorgen – und uns der Klimawende ein großes Stück näherbringen. Doch welcher dieser beiden Anlagentypen sorgt tatsächlich für eine bessere Stromausbeute? Wir haben die unterschiedlichen Modelle unter die Lupe genommen.

Solare Dachanlagen: Was können sie? Und was nicht?

Vorteil 1:  Jeder kann die Umwelt retten

Ganz klar: Saubere Energie verdrängt Atom- und Kohlestrom. Schließlich wird für jede Kilowattstunde Sonnenstrom dieselbe Menge konventionell erzeugte Energie weniger erzeugt.Wer sich für eine Solaranlage auf dem eigenen Dach entscheidet, wird demnach nicht nur zum Energie-Selbstversorger, sondern auch zum direkten Klimaschützer. Jede installierte Anlage lässt CO2-Emssionen sinken und das eigene Umweltbewusstsein steigen. Anlagenbesitzer*innen werden mit sauberen Stromversorgern auf dem Dach also selbst ein aktiver Teil der Energiewende.

Vorteil 2:  Grüne Selbstversorger

Einer der häufigsten Gründe für die Anschaffung einer PV-Anlage ist der Wunsch nach Unabhängigkeit. Generell rückt der Eigenverbrauch immer stärker in den Fokus. Sprich: Der Strom kann direkt von derAnlage auf dem Dach zu Verbraucher*innen ins Haus geleitet werden. Und hält dort Kaffeemaschine und Co. mit sauberer Energie am Laufen. Doch was tun, wenn der produzierte Sonnenstrom nicht direkt genutzt wird? Die Antwort: Speichersysteme. Diese speichern überschüssig erzeugten Strom und geben in erst wieder ab, wenn er wirklich gebraucht wird.

Vorteil 3: Entlastung des Versorgungsnetzes

Solare Anlagen auf dem Hausdach sorgen für eine Entlastung der Umwelt und des Stromnetzes zugleich. Dieses wird aufgrund der schwankenden Stromproduktion der solaren Energieträger stark gefordert. Denn je nach Wetterlage wird unterschiedlich viel Grünstrom erzeugt.  Wird also zusätzlich zum normalen Stromfluss eine große Menge an Sonnenstrom ins Netz geleitet, könnten Netzstörungen die Folge sein. Mithilfe von PV-Anlagen auf dem Hausdach kann die Netzstabilität deutlich verbessert werden. Schließlich wird Sonnenstrom dezentral, also verbrauchernah erzeugt und verbraucht – und muss keinen langen Weg zu den Endverbraucher*innen zurücklegen. Ein hoher Eigenverbrauchsanteil und netzoptimierte Speichersysteme sind dafür Grundvoraussetzung.

Vorteil 4: Gut für die Umwelt und das Börserl

PV-Dachanlagen bieten privaten Verbraucher*innen die Möglichkeit, Solarstrom selbst zu erzeugen und idealerweise direkt am Ort der Erzeugung zu verbrauchen. Sie sind also nicht länger vom öffentlichen Stromnetz abhängig – vorausgesetzt die Anlage wird durch einen effektiven Speicher ergänzt. Dieser macht eine lückenlose Versorgung mit eigenem Sonnenstrom erst wirklich möglich. Das Beste: Anlagenbesitzer*innen können mit der Anlage auf dem Dach ihr Geldbörserl zusätzlich auffüllen. Wird zu viel Energie erzeugt, kann überschüssiger Grünstrom nicht nur in den eigenen Speicher fließen. Sondern eben auch in das öffentliche Netz eingespeist werden – natürlich gegen Entgelt.

Wer sich eine Solaranlage aufs Dach holt wird nicht nur zum Selbstversorger, sondern auch zum Klimaschützer. Doch leider eignet sich nicht jedes Dach zur Installation eines sauberen Stromerzeugers.

Nachteil 1: Dach ist nicht gleich Dach

Im Grunde könnte jeder Eigenheimbesitzer zum grünen Stromversorger werden. Dennoch eignet sich nicht jedes Dach zur Photovoltaik-Nutzung. Gut zu wissen: Der Anlagengröße ist kaum eine Grenze gesetzt, da jede Dachgröße für eine PV-Anlage genutzt werden kann. Allerdings müssen einige Grundvoraussetzungen gegeben sein. Wie etwa der optimale Winkel der Anlage, die Ausrichtung des Daches und eventuelle Störfaktoren. Der Neigungswinkel bei Dachflächen sollte am besten zwischen 20 und 60 Grad liegen – bei Solarmodulen zwischen 30 und 45 Grad. Logisch: Das Dach sollte möglichst südlich ausgerichtet sein. Nur dann können Anlagen genügend Sonnenstrahlen einfangen. Absolutes No-Go: Umliegende Gebäude oder Bäume, die womöglich Schatten auf die Module werfen.

Nachteil 2: Die Stromausbeute reicht nicht

Eine Studie bestätigt: Das Potential von Gebäude-Photovoltaik wird nicht ausreichen, um die Klimaziele bis 2030 erreichen zu können. Genauer gesagt: Für das Ausbauziel wird eine Leistung von 11 Gigawatt (GW) bei 1000 Volllaststunden benötigt. Zum Verständnis: Volllaststunden sind ein Maß für die Gleichmäßigkeit der Nutzung oder Auslastung einer Energieanlage. An Gebäuden, also Dächer und Fassaden lassen sich in den nächsten Jahren lediglich 4 GW bei den angenommenen 1000 Vollaststunden errichten. Alleine dafür müsste der aktuell erwartete Ausbau von etwa 250-350 Mega-Watt-peak (MWp) pro Jahr über die kommenden zehn Jahre auf etwa 400 MWp jährlich gesteigert werden. Es ist also offensichtlich, dass die Erschließung von weiteren Flächen für die Erreichung der Klimaziele unbedingt notwendig ist.

Nachteil 3: Komplizierte und teure Wartung

Damit effektive Anlagen auf dem Dach auch langfristig für grüne Energie sorgen können, müssen sie natürlich einwandfrei funktionieren. Folglich ist eine regelmäßige Wartung sinnvoll und empfehlenswert. Denn aufgrund der Kontrolle des Anlagenzustands können Fehler, Materialermüdungen oder Einschränkungen schnell gefunden und behoben werden. Das Problem: Wartungsarbeiten auf Dächern erweisen sich als ziemlich kompliziert und gefährlich. Das spiegelt sich wiederrum in den Kosten wider. Diese sind im Vergleich zu Wartungen auf Freiflächen um einiges höher.

Solare Freiflächenanlagen: Was können sie? Und was nicht?

Vorteil1:  Freiflächen als Schlüssel zur Energiewende

Der Großteil des Photvoltaik-Zubaus wird in den nächsten Jahren auf Freiflächen realisiert werden. Solaranlagen auf Feldern werden zukünftig also für eine ziemlich anschauliche Stromausbeute sorgen. Das Beste: Im Gegensatz zu Dachanlagen gestaltet sich die Auswahl des Standorts viel einfacher. Aufgrund der Aufständerung lassen sich Freiflächenanlagen flexibel installieren und ausrichten. Module können dem Sonnenstand und der optimalen Himmelsrichtung angepasst werden und sind daher jederzeit optimal zur Sonne ausgerichtet. PS: Schon heute ist die Stromerzeugung mittels Photovoltaik die billigste Form der Energiegewinnung!

Vorteil 2: Photovoltaik hat positive Auswirkung auf Tiere

Ein weiterer Vorteil, der sich aus der großflächigen Art der Energiegewinnung ergibt ist, dass diese ganz ohne Nebenwirkungen funktioniert. Erneuerbarer Strom wird ganz ohne Lärm und Schadstoffe produziert – weder Mensch noch Tier werden beeinträchtigt. Stichwort: Tiere. Es ist bewiesen, dass Solarparks die Biodiversität richtig ankurbeln, dass Photovoltaik positive Auswirkungen auf Tier hat! Diverse Tier- und Pflanzenarten finden unter den Modulen eine neue Heimat. Große Anlagen entpuppen sich als große Habitate, in denen sich Arten dauerhaft ansiedeln können. Einige vom Aussterben bedrohte Populationen kehren unter den Modulen sogar zurück. Solarparks führen also nicht nur zur Erreichung der Energiewenden, sondern auch zur ökologischen Aufwertung des Bodens.

Vorteil 3: Aus alt mach neu

Freiflächenanlagen sorgen für eine Wiederbelebung von eigentlich unbrauchbarem Land. Anlagen werden üblicherweise auf landwirtschaftlichen Flächen installiert, die eine sehr geringe Bodenqualität aufweisen. Sprich: Die Produktion von Gemüse oder Getreide rentiert sich einfach nicht mehr – die Flächen bleiben einfach brach liegen. Wenig ertragreiches Land kann dank der Installation von Solaranlagen somit wieder besser genutzt werden. Landwirt*innen werden so zu den Energieversorger*innen der Zukunft.

Vorteil 4: Vielfalt an Möglichkeiten

Solaranlage ist nicht gleich Solaranlage. Die technische Entwicklung schreitet so schnell voran, dass moderne Anlagen einfach um ein Vielfaches effizienter sind als ihre ein paar Jahre alten Vorgänger. Derzeit besonders interessant: Bifaziale Module. Also: senkrecht stehende Photovoltaik-Paneele. Diese besitzen die Eigenschaft sowohl die direkte Einstrahlung auf der Vorderseite als auch indirektes Licht auf der Rückseite einzufangen. Besonders clever: Bifaziale Module können optimal mit Agrophotovoltaik verbunden werden. Denn eine landwirtschaftliche Nutzung wäre zwischen den senkrecht montierten Modulen auch weiterhin möglich.

Freiflächenalagen benötigen zwar mehr Fläche als Anlagen auf dem Dach, sorgen dafür aber für eine ziemlich ansehnliche Energieausbeute.

Nachteil 1: Gefahr von außen

Das Gute: Solaranlagen auf freien Flächen lassen sich leichter warten als fassaden- oder dachintegrierte Anlagen. Das Schlechte: Sie sind anfälliger gegen Umwelteinflüsse. Sachschäden durch Tierverbiss, wie zum Beispiel eines Maders, sind eine nicht selten vorkommende Gefahr. Besondere Vorsicht ist auch bei Mäharbeiten geboten. Eine mechanische Beschädigung der Kabel oder Module könnte eine lückenlose Versorgung mit Sonnenstrom gefährden. Deshalb: Fachpersonal für die Grünpflege beauftragen. Die Diebstahl- und Vandalismusgefahr kann mit dem Aufbau eines Zauns deutlich reduziert werden.

Nachteil 2: Mehr Aufwand in der Pflege

Für eine langfristig saubere Stromproduktion bedarf es genügend Sonnenstunden, effektive Speichersysteme und eine regelmäßige Gründlandpflege. Es muss eben während des ganzen Jahres zu jedem Zeitpunkt verhindert werden, dass Gras oder andere Pflanzen über die Anlage wachsen. Dies könnten zur Beschattung der Module und in Folge zu einer Minderung der Anlagenleistung führen. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten für die Pflege einer PV-Freiflächenanlage: Die Beweidung der Fläche mit Tieren. Oder: Die Mahd, die erfahrungsgemäß zweimal im Jahr durchgeführt werden muss. Die dauerhafte Pflege des Grünlandes in den Zwischenräumen der Modulreihen führt aber auch zur artenreichen Besiedelung unter den Modulen. Tipp: Im Sinne der Doppelnutzung kann das Gras auch als Tiernahrung genutzt werden.

Nachteil 3: Fehlende Akzeptanz

Angesichts der ambitionierten PV-Ausbauziele ist der Ausbau von Freiflächenanlagen dringend notwendig – das hat sich inzwischen wohl schon herumgesprochen. Dennoch fehlt es oft noch an der benötigten Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. Die Angst: Solarparks beeinträchtigen das Landschaftsbild, machen Landwirt*innen Ackerflächen streitig und versiegeln den Boden. Die Installation effektiver Anlagen trifft also immer wieder auf Widerstand bei vielen Anwohner*innen. Akzeptanz ist eine wesentliche Basis für die Energiewende – und daher dringend notwendig.

Außerdem ist die Sorge nicht berechtigt: Denn Anlagen können clever in die Umgebung integriert und nahezu unsichtbar gemacht werden. Auch wird niemand ertragreiches Land mit Solaranlagen zupflastern. Und: Versiegelt wird auch nichts – bei einer Freiflächenanlage werden genau 1 % des Bodens verbaut. Solche Anlange haben im Grunde einfach das Potential uns von umweltschädigenden Energiegewinnungsarten unabhängig zu machen. Und dabei können sie außerdem gleichzeitig Österreichs Bäuerinnen und Bauern einen echten Mehrwert bieten. Doch auch innerhalb der heimischen Politik fehlt es bisher an der dringend benötigten Akzeptanz – und auch Bereitschaft eine tatsächlich grüne Energiepolitik auszuüben. Zwar sind schon einige Ziele gesetzt worden, eine aktive Umsetzung dieser lässt aber leider noch auf sich warten. Für ein grünes Österreich müssen also alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Fazit:

Wollen wir so viele Menschen wie möglich in die Energiewende einbinden, brauchen wir die Dach-Photovoltaik. Damit die Stromergebnisse in die Höhe schnellen, benötigt es aber jedenfalls Anlagen auf Freiflächen. Die Frage, ob die Energiewende nun besser mit Dachanlagen oder großen Solarparks zu bewerkstelligen ist, hat eine eindeutige Antwort: Eine Kombination aus beidem ist ein Muss.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH / SCIENCE IN HDUNSPLASH / VIVINT SOLARUNSPLASH / AMERICAN PUBLIC POWER ASSOCIATION