13. Mai 2021
Freiflächenanlagen unter Beschuss: Was ist Fakt? Was ist Fake?

Freiflächenanlagen leisten einen wesentlichen Teil, um die Energiewende zu schaffen. Dennoch werden sie nicht selten zur Zielscheibe von Kritik. Zu groß. Zu teuer. Reine Bodenversiegelung. Solche Bemerkungen hört man oft. Aber: Was ist dran an den vermeintlich negativen Aspekten der zukunftsweisenden Stromerzeuger?

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Der österreichische Weg geht definitiv Richtung klimaneutraler Stromversorgung. Nächste Etappe: das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG). Mit diesem Gesetz soll nun endlich der Ausbauturbo für nachhaltige Formen der Energiegewinnung gezündet werden. Schließlich soll die heimische Stromerzeugung bis 2030 komplett auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden. Die tatsächliche Umsetzung des EAG ist jedoch schwieriger als gedacht. Eigentlich hätte es mit erstem Jänner 2021 in Kraft treten sollen – daraus wurde nichts. Die Ökostrom-Revolution muss wohl noch ein wenig warten. Dennoch wird 2021 ganz im Zeichen des grünen Totalumbaus des heimischen Stromsystems stehen.

Die Ausarbeitung des EAG zieht aber auch intensive Diskussionen nach sich. Aktuell vor allem rund um Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Eines ist klar: Die Debatte rund um derartige Anlagen auf heimischen Wiesen ist nicht neu, sie wird nur immer emotionaler geführt. Das liegt freilich daran, dass die ersten großen Freiflächenanlagen nun wirklich gebaut werden müssen, um die Klimaziele erreichen zu können. Das hat zuletzt auch die Studie von Professor Fechner eindeutig ergeben. Was aber steckt hinter den Vorurteilen, die so hartnäckig an den zukunftsweisenden Stromerzeugern haften? Was ist Fake und was Fakt? Wir haben uns auf die Suche nach der Wahrheit gemacht.

Freiflächenanlagen versiegeln den Boden

Von vielen kritischen Stimmen oft moniert, auf dem PV-Radar jedoch nicht sichtbar: die Bodenversiegelung. Diese bedeutet konkret: Der Boden wird in einer Art und Weise befestigt, dass kein oder kaum noch Wasser im Boden versickern kann. Folglich kann auch kein Gasaustausch zwischen Boden und Luft mehr stattfinden. Dazu kommt es, wenn eine Fläche betoniert, asphaltiert oder gepflastert wird. Freiflächenanlagen werden jedoch ohne die Versiegelung des darunterliegenden Bodens installiert – sondern mithilfe einer Aufständerung.

Die Steher der Unterkonstruktion werden punktuell in den Boden eingeschlagen. Dadurch wird vernachlässigbar wenig Boden versiegelt. Genauer gesagt: Ungefähr 99 Prozent des Bodens bleiben unberührt, lediglich ein Prozent der Fläche wird also bebaut. Von Versiegelung kann da keine Rede sein. Flora und Fauna können somit problemlos bestehen bleiben oder sich erholen.

Freiflächenanlagen sind einfach zu teuer

Vorurteile sind oft ausschlaggebend dafür, dass sich innovative Technologien nicht durchsetzen – genauso bei Freiflächenanlagen. Dem Interesse an solchen wird sehr oft mit negativen Behauptungen begegnet. Für die einen sind sie Platzverschwendung, für die anderen schlichtweg zu teuer. Stichwort: Kosten. Viele Interessent*innen schrecken vor dem Kauf einer Anlage aufgrund der vermeintlich hohen Ausgaben zurück. Tatsächlich ist die Errichtung und Instandhaltung einer Freiflächenanlage wesentlich günstiger als die Installation einer Dachanlage. Fixkosten – wie etwa bei der Planung – fallen meist unabhängig von der Anlagengröße ab. Sprich: Große Freiflächenanlagen können mit weniger Budget für mehr Sonnenstrom sorgen. Generell ist die solare Stromerzeugung bereits heute die günstigste Möglichkeit, Strom zu erzeugen. Nachhaltig und kostengünstig zugleich – eine echt gute Kombination.

Freiflächenanlagen beeinträchtigen Flora und Fauna

Im Gegenteil: Solaranlagen auf unseren Wiesen sind ein echtes Paradies für diverse Tier- und Pflanzenarten. Sie leisten somit nicht nur einen positiven Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Biodiversität. Demnach können unter und rund um die Module zahlreiche Pflanzen- und Tierarten gedeihen bzw. sich ansiedeln. Bei einer rein landwirtschaftlichen Nutzung der Flächen hätten diese dazu kaum eine Chance. Insekten, Reptilien und sogar Brutvögel finden in den Solarparks eine neue Heimat. Besonders interessant: Vom Aussterben bedrohte Heuschrecken, Tagfalter und Reptilien wie die seltene Zauneidechse fühlen sich unter dem Schutz der Module ganz besonders wohl.

Flauschige Vierbeiner fühlen sich unter den Modulen genauso wohl …
… wie unzählige Pflanzenarten auch.

Grund für die artenreiche Besiedelung von PV-Freiflächenanlagen ist die dauerhafte Pflege des Grünlandes in den Zwischenräumen der Modulreihen. Außerdem schützen Freiflächenanlagen Pflanzen vor heftigen Unwettern, Hagel oder Austrocknung. Wer oder was sich unter den Modulen ansiedelt, ist von der Größe der Anlage und der Anordnung der Modulreihen abhängig. Dabei gilt: je breiter und besonnter die Zwischenräume, desto höher die Artenvielfalt. Absolutes No-Go: Düngemittel. Anders als bei der klassischen Landwirtschaft wird bei Solarparks voll und ganz auf den Einsatz von Pestiziden und Co. verzichtet.

Die heimische Wertschöpfung geht bei Freiflächenanlagen verloren

Der Erneuerbaren-Ausbau ist gerade in vollem Gange. Gut. Schließlich müssen für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 noch viele effektive Solaranlagen installiert werden. Doch wer übernimmt den Aufbau der Module? Und wie viel Österreich steckt wirklich in den Anlagen? Die Befürchtung: Billigarbeitskräfte aus dem Ausland werden für die Installation österreichischer Solarparks beauftragt. Heimische Unternehmen kommen also erst gar nicht zum Zug. Und das, obwohl es in Österreich viele hunderte qualifizierte Installationsunternehmen gäbe. Darüber hinaus hat Österreich ein großartiges Angebot an PV-Bauteilen. Produktionskapazitäten sind also vorhanden. Es liegt nun an der rot-weiß-roten Politik, das gesamte Solarpotenzial auszuschöpfen und die Wertschöpfung im Land zu erhöhen.

Kleiner Lichtblick: Immer mehr Gemeinden setzen auf die Installation von PV-Freiflächenanlagen – das zahlt sich gleich doppelt aus. Denn sie leisten damit nicht nur einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz, sondern eben auch zur Eigenversorgung mit sauberem Sonnenstrom. Außerdem können auch Betreiber*innen der Anlage, wie etwa Landwirt*innen, von den zukunftsweisenden Anlagen profitieren. Ihre sonst brach liegenden Wiesen werden mit wertvollen Modulen aufgewertet. Unterm Strich: Die regionale Wirtschaftskraft kann gestärkt und die Wertschöpfung innerhalb der Gemeinde erhöht werden.

Für Freiflächenanlagen ist zu wenig Platz

Um unser Klima nachhaltig zu schützen, muss der Erneuerbaren-Ausbau weiter angekurbelt werden. Doch wohin mit den sauberen Stromerzeugern? Immer mehr Österreicher*innen erkennen die Vorzüge einer privaten Solaranlage auf dem eigenen Dach. Damit wir das gesteckte Klimaziel jedoch wirklich erreichen können, muss Photovoltaik größer gedacht werden. Die Lösung: Photovoltaik-Anlagen auf unseren Wiesen. Für sinnvolle PV-Freiflächennutzung kommen alle landwirtschaftlichen Flächen in Frage, die für die Landwirtschaft eine zu geringe Bodenqualität aufweisen.

Sprich: Flächen, die für den landwirtschaftlichen Betrieb einfach unbrauchbar sind. Oder Flächen, die anderweitig nicht produktiv bewirtschaftet werden können. Wie etwa stillgelegte Deponien oder Bereiche rund um Verkehrsflächen – von diesen gibt es in Österreich reichlich. Photovoltaikexperte Hubert Fechner bestätigt: „Es gibt genügend Flächen in Österreich, die schon von vornherein eine geringe Bonität aufweisen.“ Scheinbar unbrauchbare Flächen können somit Teil der Stromrevolution werden.

Die Wartung von Freiflächenanlagen ist schwierig

Innovative Anlagen bedeuten auch gleichzeitig einen riesigen Aufwand – und das kann schon mal teuer werden. Achtung: Fake! Denn Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen sind gerade wegen ihrer unkomplizierten und frei zugänglichen Wartung sehr beliebt. Im Vergleich zu Dachanlagen ist für ausgebildetes PV-Fachpersonal ein einfacheres und schnelleres Arbeiten möglich. Das spiegelt sich natürlich auch in den Kosten wider. Wartungsarbeiten bei großflächigen Anlagen sind schlichtweg kostengünstiger.

Für beste Betriebsergebnisse ist neben der regelmäßigen Wartung auch die richtige Grünflächenpflege ausschlaggebend. Wuchernde Gräser und Sträucher könnten Solarmodule beschatten, Wechselrichter oder Stationsgebäude verschmutzen. Tipp: Auf tierische Unterstützung, wie Schafe, setzen und die Modulzwischenräume regelmäßig mähen.

Freiflächenanlagen erzielen keine optimale Stromausbeute

Wie können eigentlich die meisten Sonnenstrahlen eingefangen werden? Mithilfe von Solaranlagen auf dem Dach? Oder doch mit zukunftsweisenden Solarparks auf dem Feld? Die Antwort: PV-Anlagen auf dem Feld sorgen für bessere Betriebsergebnisse als ihre Kolleginnen auf dem Dach. Grund dafür sind die örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten, auf die besonders bei Dachanlagen Rücksicht genommen werden muss. Sprich: Viele Dächer eignen sich aufgrund ihrer Ausrichtung nicht zur solaren Nutzung. Bei Freiflächenanlagen hingegen kann frei gewählt werden, wie und wo die Module für Stromausbeute sorgen sollen. Besonders clever: Nachführsysteme passen Module dem Sonnenstand und der optimalen Himmelsrichtung an. Daher sind die Anlagen jederzeit optimal zur Sonne ausgerichtet.

Effektive Nachführsysteme sorgen für optimale Stromergebnisse …
… ohne die tierischen Bewohner der Anlage zu stören.

Freiflächenanlagen stehen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion

Solaranlagen erzeugen zwar sauberen Strom, benötigen jedoch oft landwirtschaftlich genutzte Flächen. Kein Wunder, dass die Erzeugung von grünem Strom manchen Landwirt*innen also ziemlich sauer aufstößt. Die Sorge ist aber unberechtigt.  Agrarwesen und Energieerzeugung können clever miteinander verknüpft werden – und auch Bäuerinnen und Bauern vor der Klimakrise schützen. Denn diese macht auch vor heimischen Landwirtschaftsbetrieben nicht Halt. Ungewöhnlich heiße Sommer sorgen für ausgetrocknete und daher unbrauchbare Äcker. Fazit: Die Flächen bleiben einfach brach liegen.

Solaranlagen können dafür sorgen, dass diese Flächen wieder genützt werden können – und zwar zur Gewinnung von Grünstrom. Das Beste:  Zukünftig könnten Energieerzeugung und Nahrungsmittelproduktion noch effektiver miteinander kombiniert werden. Bei der sogenannten Agrophotovoltaik werden sowohl Nahrungsmittel als auch Strom geerntet– und zwar von ein und demselben Feld. Denn: Es gibt Pflanzen, die von der solaren Beschattung profitieren und dabei sogar besser gedeihen.

Freiflächenanlagen beeinträchtigen das Landschaftsbild

Solaranlagen auf Dächern gehören längst zum gewohnten Anblick – oder besser gesagt, sie verstellen nie den Blick und sind daher für unsere Augen leicht konsumierbar. Anders sieht die Sache bei Freiflächenanlagen aus. Diese stoßen nicht immer auf Akzeptanz in der Bevölkerung. Schließlich sind sie ein neues Flächenelement in der Landschaft, das oft als störend wahrgenommen wird. Völlig unabhängig davon, ob sie nun für sauberen Strom sorgen oder nicht. Dementsprechend wichtig ist eine gut durchdachte Planung der Anlage. Ist diese etwa im Landschaftsbild gut dimensioniert, wohl geordnet und gar durch umliegende Wälder gut eingebunden, kann die Akzeptanz natürlich erhöht werden.

Auch Hecken, die so hoch wachsen, dass die Anlagen aus jedem Blickwinkel verschwinden, sind ein einfaches Mittel, um das Problem zu lösen.  Außerdem: Die Zukunft der Freiflächenanlagen ist farbflexibel wie ein Chamäleon. Denn schon bald könnten sich Anlagen farblich perfekt an ihre Umgebung anpassen. Module könnten schon bald in einem satten Grün erstrahlen. Forscher*innen des Fraunhofer Instituts ISE arbeiten derzeit an einer innovativen Farbbeschichtung – diese soll derartige Module bei minimalen Energieverlusten ermöglichen.

Freiflächenanlagen können nicht nachhaltig entsorgt werden

Eine Solaranlage sorgt circa 25 bis 30 Jahre für sauberen Grünstrom. Und dann? Können die riesigen Modulabschnitte eigentlich problemlos entfernt werden? Oder hinterlassen sie sichtbare Schäden am Boden? Friedrich Neubrand, Projektentwickler bei Enery Development sagt: „Nein. Nach Ablauf der Nutzungsdauer kann die Anlage völlig rückstandslos entfernt werden. Steher werden abmontiert und Module einfach abtransportiert – ohne Folgen für den Boden.“ Pflanzenarten können also in Ruhe weitergedeihen und verschiedenste Tierarten weiterleben. Obwohl diese das ruhige und schattige Leben unter den Modulen vermutlich bevorzugen.

Doch was passiert mit den ausgedienten Anlagen? Ganz einfach: Solarmodule können nach Ablauf ihrer Lebensdauer recycelt werden. Die Module enthalten viele wertvolle Rohstoffe, die nahezu komplett als Sekundärrohstoffe einem neuen Produktionsverfahren zugeführt werden können. Daher werden einzelne Bestandteile der ausrangierten Solarpanele wieder in den nachhaltigen Wertstoffkreislauf integriert.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS: UNSPLASH / ANDREAS GLÜCKLHORN , PV AUSTRIA