13. Mai 2021
Keine Angst vor dem Blackout: Erneuerbare sorgen für Sicherheit

Zuverlässige Stromversorgung ist ein hohes Gut. Ein gut funktionierendes Stromnetz dafür Grundvoraussetzung. Doch was tun, wenn dieses an seine Grenzen stößt und ein Blackout droht? Der Ausbau erneuerbarer Energien könnte sowohl Netz als auch Umwelt entlasten.

Keine Angst vor dem Blackout: Erneuerbare sorgen für Sicherheit- Image

Licht, Heizung, Waschmaschine, Radio. Strom ist stets ein treuer Begleiter im alltäglichen Leben. Fließt dieser nicht wie gewohnt, geraten Menschen sehr schnell in Panik. Aber keine Sorge: Österreichs Stromnetz zählt mit einer Versorgungs-Verfügbarkeit von 99,9 Prozent zu den sichersten der Welt. Allerdings sorgten in den vergangenen Wochen Horror-Meldungen von sogenannten Beinahe-Blackouts für Verunsicherung. Und tatsächlich stößt das europäische Stromnetz gelegentlich an seine Kapazitätsgrenzen – zumindest hat es mit starken Frequenzabfällen zu kämpfen.

Ein kompletter Zusammenbruch des Netzes inklusive flächendeckender Stromausfälle konnte bisher verhindert werden. Ein laufender Austausch und das Setzen abgestimmter Maßnahmen schützen uns vor Ausfällen. Doch weshalb schrammt Europa nur knapp am Blackout vorbei? Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria und ihr Kollege Nikolas Fußenegger, Photovoltaik-Experte für Technik & Speicher haben sich für uns die Sache im Detail angesehen.

Europa ohne Strom?

Allein der Gedanke an einen europaweiten Blackout ist ziemlich düster. Die tatsächlichen Auswirkungen wären schlussendlich katastrophal, hat das doch mit einem gewöhnlichen Stromausfall nichts zu tun. Dieser dauert schließlich oft nur einige Minuten – schlimmstenfalls einige Stunden. Bei einem flächendeckenden Ausfall hingegen müssten wir wohl einige Tage im Dunkeln ausharren. Das Gefährliche daran: Ein Blackout würde sich zeitnah auf andere Infrastruktursektoren und Versorgungsleistungen auswirken. Vergleichbar mit dem ersten Dominostein würde er eine Kettenreaktion voller Ausfälle nach sich ziehen.

Denn ein Land ohne Strom ist gleichzeitig ein Land ohne funktionierende Kommunikation, Versorgung und Sicherheit. Aufgrund lahmgelegter Telefon-, Handy- und Datennetze würden IT-abhängige Branchen einfach zusammenbrachen. Sprich: Produktionen würden stillstehen, Logistiksysteme stillstehen und die Treibstoffversorgung wäre unterbrochen. Dementsprechend liegt es auf der Hand, wie wichtig es ist, für ein sicheres Netz zu sorgen.

Was ist die Ursache für ein Beinahe-Blackout?

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, wer oder was die Schuld an vergangenen Beinahe-Blackouts trägt. Nach einigen Mutmaßungen verkündete der österreichische Hochspannungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG),  der auch mitverantwortlich für den europäischen Stromaustausch ist die Ursache: Eine Reihe von gesetzten Maßnahmen führten zu den Störungen im Stromnetz und folglich zu den gestiegenen Steuerungsanforderungen.

Ganz klar werden Vermutungen widerlegt, dass der Erneuerbaren-Ausbau Schuld daran hat.  Anlass genug für einige Stromversorger*innen für die Zukunft häufigere Not-Einsätze zu prophezeien. Grund für diese Annahme seien die schwankende Stromproduktion so genannter „volatiler Energieträger“, also Energieträger, die nicht konstant die gleiche Leistung liefern können. Expertin Vera Immitzer kontert: „Erneuerbare Energien für flächendeckende Ausfälle verantwortlich zu machen ist falsch!“ Im Gegenteil: „Ein gut durchdachter dezentraler Photovoltaik-Ausbau kann uns vor zukünftigen Netzstörungen schützen.“ Die Ursache für den starken Frequenzabfall im europäischen Stromnetz sei laut Immitzer einfach zu erklären: „Aufgrund bewusster Abschaltungen großer Unternehmen im Ausland war das europäische Stromnetzt starken Veränderungen ausgesetzt.“ Sprich: Es floss kurzfristig zu viel Strom durch unsere Stromleitungen.  Österreichs Sicherheitsnetz hat jedoch sofort gegriffen und zur unverzüglichen Netzstabilisierung beigetragen.

Das angeblich grüne Dilemma

Flächendeckende Stromausfälle liegen also keineswegs an erneuerbaren Energien. Dennoch sorgen sie bei einigen Stromversorgern für Unwohlsein. Schließich erfordert es gewisse Anstrengung, um Angebot und Nachfrage an Strom auszugleichen und so die Spannung im Netz stabil zu halten. Denn Solar- und Windanlagen speisen naturgemäß wetterabhängig Strom in das Netz ein. Die Sonne scheint nun mal wann und wo sie will – und nicht wie es Stromversorger gerne hätten. Laut Expertin Immitzer sind volatile Energieträger jedoch nicht weniger vorhersehbar als herkömmliche Stromerzeuger: „Man weiß wann die Sonne auf- und wieder untergeht. Und ob sie in der Zwischenzeit scheint oder nicht.“ Und weiter: „Sehr genaue Wetterprognosen machen genaue Vorhersagen also möglich.“

Blackout
Sonnen-Expertin Vera Immitzer kennt die wahre Ursache der vergangenen Netzstörungen.

Allerdings müssen einige Grundvoraussetzungen gegeben sein. Wie etwa die Bereitstellung eines gut ausgebauten Stromnetzes. Dieses sorgt für gleichmäßigen Energiefluss und lückenlose Stromversorgung – und das europaweit. Denn irgendwo scheint nahezu immer die Sonne oder weht der Wind. Dieser produzierte Grünstrom muss mithilfe eines gut strukturierten Netzes dorthin befördert werden, wo er gerade gebraucht wird. Oder er muss gespeichert werden. Nur so kann unser Klima auch nachhaltig von sonnigen Energieträgern profitieren und unser Netz stabilisiert werden. Das bedeutet wiederum, dass es zukünftig vor allem Netzkapazitäten und Speicherkapazitäten braucht, um die bestehende hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Gaskraftwerke als Notlösung?

Stichwort: Speicherung. Innovative Speichertechnologien könnten im Falle eines tatsächlichen Blackouts für eine Stromversorgung ohne Unterbrechung sorgen. „Photovoltaik und Speicher sind eineiige Zwillinge!“, so Immitzer. Als echtes Dream-Team können sie unsere Umwelt schützen und gleichzeitig unser Stromnetz entlasten. Stromversorger hingegen sehen schnellstartfähige Gasturbinen als einzig wahre Lösung für eine sichere und schnelle Versorgung während eines Ausfalls. Photovoltaik-Experte Nikolas Fußenegger zeigt sich skeptisch: „Österreich hat genügend grünes Potential. Mithilfe effektiver Stromspeicherung können vor allem fossil betriebene Gaskraftwerke ersetzt werden.“

Großspeicher als Retter in der Not?

Logischer Schluss: Effektive Speichersysteme können tatsächlich für eine netztechnische Entlastung sorgen. Vor allem dann, wenn sie netzoptimiert arbeiten und in Abhängigkeit vom Netzzustand be- und entladen werden. Sprich: wird zu viel Strom produziert, fließt dieser in den Speicher – wie etwa zur Mittagszeit. Diese Vorgehensweise schützt das Netz quasi vor einer Strom-Überflutung und kann für Zeiten, in den keine Sonnenstrom produziert wird, genutzt werden. Auch auf Netzstörungen können Batteriespeicher schneller und genauer reagieren als thermische Kraftwerke. Keine andere Technologie ist daher besser geeignet das Stromnetz im Ernstfall zu stützen.

Auch viele Österreicher*innen erkennen in ihrer privaten Solar-Stromversorgung die Vorzüge der Speicherung. Denn diese zahlt sich nämlich gleich doppelt aus: Der Eigenverbrauch wird gesteigert und die Kosten für den Zukauf von Strom aus dem öffentlichen Netz verringert. Im Falle eines Blackouts können Speicherbesitzer*innen zudem auf den zwischengelagerten Strom zurückgreifen – und sind damit noch einige Tage mit Reserven versorgt. Weiter gedacht können ganze Dörfer oder Städte ohne Unterbrechung Grünstrom nutzen. Dazu benötigt es laut Fussenegger jedoch größere Speichersysteme. Ein kluger Mix aus zentralen und dezentralen Technologien sei daher notwendig, fordert er.

Tesla als Speicher-Vorbild

Die dafür nötigen und bereits vorhandenen Super-Akkus haben es auch wirklich drauf – das beweisen bereits installierte Speichersysteme weltweit. Vor allem Teslas Rekord-Akkuspeicher in Südaustralien sorgt mit 150 Megawatt Leistung und 193,5 Megawattstunden Kapazität für Aufsehen. Die Bevölkerung im Süden Australiens kämpfte immer wieder gegen massive Stromausfälle. Zumindest so lange bis der Super-Akku installiert wurde. Dieser reagiert innerhalb von 150 Millisekunden auf Änderungen in der Stromnachfrage. Ein Paradebeispiel für den Erfolg effektiver Speichersysteme. Und ein Vorbild für viele Länder der Welt.

Keine Chance für Blackout

Der weltweite Durchbruch riesiger Speicheranlagen wird jedoch noch ein bisschen auf sich warten lassen – die eingeschlagene Richtung stimmt allerdings. Das bestätigt auch Vera Immitzer „Wir haben bereits einige innovative und grüne Lösung. Diese muss nur richtig umgesetzt werden.“ Den Erneuerbaren-Ausbau zu stoppen wäre falsch. Es bedarf jedoch einen gut strukturierten Plan – mit Fokus auf die Stromspeicherung. Denn mithilfe von gut funktionierenden und durchdacht platzierten Speichersystemen kann das Stromnetz der Zukunft entlastet werden – und gleichzeitig der Einsatz von Gaskraftwerken reduziert werden. Eines steht jetzt schon fest: Dank der cleveren Kombination aus erneuerbaren Energien und Speichern werden Österreicher*innen bei zukünftigen Stromausfällen sicherlich nicht im Dunkeln festsitzen – ganz im Gegenteil.

✅ TEXT: SANDRA RAINER