13. Mai 2021
Viel Schnee, wenig Sonne: Was tun bei heftigem Schneefall?

Bulgarien kämpft im Winter oftmals mit Temperatureinstürzen und starken Schneefällen. Erst kürzlich wurde der 100 Hektar große Enery-Solarpark im Süden des Landes komplett eingeschneit. Was heißt das für die Stromerzeugung?

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Bulgarien kämpft im Winter oftmals mit Temperatureinstürzen und starken Schneefällen. Erst kürzlich wurde der 100 Hektar große Enery-Solarpark im Süden des Landes komplett eingeschneit. Was heißt das für die Stromerzeugung?

Um die Relationen gleich von Anfang an ins rechte Licht zu rücken: Photovoltaik-Anlagen erzielen drei Viertel ihres Jahresertrags im Sommerhalbjahr – also von April bis September. Grund dafür sind der Winkel der Sonnenstrahlung und der stärkere und zugleich längere Lichteinfall. Der Winter ist also aufgrund der veränderten Sonneneinstrahlung und zusätzlicher Widrigkeiten wie Schnee und Eis einfach weniger ertragreich. Das wird gerade in einem Land wie Bulgarien deutlich: Auf den sonnenreichen bulgarischen Sommer folgt meist ein ziemlich eisiger Winter. Dieser ist in einigen Teilen des Landes oftmals sehr schneereich.  Mit dem Kauf des größten Solarkraftwerks in Bulgarien vor einige Monaten hat der österreichische Grünstromerzeuger Enery also auf einen ganz besonders spannenden Standort gesetzt. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung im Süden des Landes kann dort ein spezifischer Ertrag von mehr als 1.400 kWh pro kWp bei einer installierten Leistung von 60,4 MWp erzielt werden. Und das trotz winterlicher Einbrüche. Kürzlich versank der gesamt PV-Park etwa wieder einmal in metertiefem Schnee.

Doch was tun, wenn auf Solarmodulen dicke Schneeflocken statt der eigentlich ersehnten Lichtstrahlen landen? Stoyan Petrov, Leiter des Enery-Solarparks in Bulgarien, weiß, was es besonders in den kalten Monaten zu beachten gilt. Also haben wir auch bei ihm nachgefragt.

Winterschlaf für Solaranlagen?

Auch wenn Photovoltaik-Anlagen im Winterhalbjahr nur 25 Prozent des saisonalen Ertrags erzielen, darf die winterliche Stromausbeute auf keinen Fall unterschätztwerden, betont Petrov erst einmal. Denn auch in der kalten Jahreszeit kann die Leistung einer Solaranlage Spitzenwerte erreichen – natürlich nur, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.

Stoyan Petrov kennt jene Maßnahmen, die bei heftigem Schneefall und tiefen Temperaturen sehr rasch gesetzt werden müssen.

Wie etwa das optimale Vorgehen bei starkem Schneefall. Einfach Schnee wegschaufeln ist nämlich nicht zwingend die beste Option! „Die Sinnhaftigkeit des Befreiens der Modulflächen von Schnee und Eis wird schon seit Längerem heftig diskutiert“, weiß der Fachmann.Während die einen eine regelmäßige Räumung empfehlen, raten andere davon ab. Photovoltaik-Experte Stoyan Petrov weiß, dass man hier zwischen Schnee und Eis differenzieren muss: „Photovoltaik-Anlagen sollen idealerweise stets frei von Schnee sein. Aber man darf keinesfalls etwaige Eisbildungen entfernen.“ Denn: „Das Kratzen an der Moduloberfläche kann die Anlage stark beschädigen und die Stromversorgung unterbrechen.“ Doch wie sieht so ein Winter in Bulgarien überhaupt aus?

Wintereinbruch in Bulgarien

Laut Petrov sind extrem kalte Winter in Bulgarien, vor allem im Süden, zwar eher selten, aber eben nicht ausgeschlossen. Das lehrte das Jahr 2017. Damals versank Bulgarien sprichwörtlich in Schnee – inklusive der Solarmodule im Enery-Solarpark. „Der Schnee bedeckte eine ganze Woche lang die gesamte Anlage. Am ersten Tag des Tiefs fielen 30 Zentimeter Neuschnee. Am darauffolgenden Tag kamen weitere 40 Zentimeter dazu“, erinnert sich Petrov. Die Module mussten also – genau so wie heuer wieder – von den Schneelasten befreit werden. Das Problem damals: die anhaltend niedrigen Temperaturen. Diese stellen laut Photovoltaik-Experten Petrov für die innovativen Stromerzeuger ein viel größeres Problem dar als die Schneeflocken. Denn aufgrund der Minusgrade gefror der Schnee an der Moduloberfläche – und Eis sollte wie bereits erwähnt auf keinen Fall entfernt werden. Das passierte heuer zum Glück nicht in diesem Ausmaß.

Welche Maßnahmen werden gesetzt?

Die einfachste Lösung für zu viel Schnee auf den Photovoltaik-Anlagen: der sogenannte Self-Cleaning-Prozess. Dabei rutscht aufgrund des Anstellwinkels, mit dem die Module installiert sind, der Schnee in der Regel sehr schnell von selbst wieder von den Modulen ab. Er kann bei Temperaturen von bis zu minus fünf Grad Celsius ohne Probleme an der Oberfläche hinuntergleiten. „Wenn es mehr Schnee ist, wie heuer, müssen Solar-Fachkräften von Enery dabei ein wenig nachhelfen“, verrät Petrov.

Beim sogenannten Self-Cleaning-Prozess rutscht der schmelzende Schnee von den Modulen selbst wieder ab. Aber zuerst …
… müssen die Flächen zwischen den Modulen völlig frei von Schnee sein.

Demnach werden zuerst die Flächen zwischen den Modulreihen mithilfe von Schneefräsen von der Schneedecke befreit. Anschließend entfernen Fachkräfte mit speziellen Bürsten den frischen Schnee von den sensiblen Modulen. Auf keinen Fall dürfen spitze Schaufeln zur Räumung eingesetzt werden. Diese könnten die Module beschädigen. Menschliche Arbeitskräfte kommen allerdings nur in den ersten Stunden nach extremen Schneefällen zum Einsatz. Danach beginnt der Self-Cleaning-Prozess völlig automatisch.

Was kommt in Zukunft?

Neben Self-Cleaning-Prozessen gibt es freilich noch weitere sehr effektive Möglichkeiten, Photovoltaik-Anlagen von Schnee zu befreien. Eine davon: das Abtauen der Module mithilfe von Rückstromheizungen. Dabei wird ein Teil des selbst generierten Stroms in Wärme umgewandelt, die den Schnee in kürzester Zeit so weit antauen lässt, dass er von selbst abrutscht.

Aber auch Drohnen kommen bei der Schneeräumung immer häufiger zum Einsatz. Mithilfe der modernen Fluggeräte können etwa besonders tief verschneite Teile der Anlage schneller gefunden und im Anschluss wieder befreit werden. Laut Expert*innen ist der Einsatz von Drohnen besonders bei großen Photovoltaik-Anlagen generell empfehlenswert. Schließlich können die computergesteuerten Späher auch andere Probleme frühzeitig orten.

Sonnige Aussichten in Bulgarien

Stoyan Petrov sieht beim Solarpark in Bulgarien jedoch keine Notwendigkeit für die Anschaffung derartiger, durchaus teurer technischer Hilfsmittel: „Ein Beheizungssystem würde bei unseren Wetterbedingungen keinen Sinn machen. Wir würden diese vermutlich nur ein- bis zweimal pro Jahr tatsächlich benötigen.“ Die vergangenen Schneefälle in Bulgarien unterstreichen eindeutig Petrovs Einstellung. Denn bereits einen Tag nach Wintereinbruch waren dank des perfekt geschulten Personals 95 Prozent der Anlagen wieder völlig frei von Schnee und Eis. Die solare Stromproduktion läuft also längst wieder auf Hochtouren. Ein weiterer Lichtblick: die sich nähernde Sommersaison.

✅ TEXT: SANDRA RAINER
✅ FOTOS:  ISTOCK | 2NDLOOKGRAPHICS / ENERY DEVELOPMENT AG